Dr. May erklärt die Welt

Eines vielgereisten Mannes
Lebensweisheiten & Ratschläge
für alle Lebenslagen

Was aus einem zerdrückten Steinchen folgt

»Wenn jemand sehr vorsichtig und langsam vom Pferde steigt, so berührt er zunächst mit dem rechten Fuße die Erde, und indem er den linken aus dem Steigbügel zieht, um ihn auf den Boden zu setzen, wird sich der rechte ein wenig drehen, aber einen bedeutenden Druck ausüben, weil das ganze Gewicht des Körpers auf ihm ruht. Ist dieser rechte Fuß nun zufälligerweise auf ein kleines Steinchen zu liegen gekommen, und besteht der Boden aus einem so harten Felsen wie dieser ist, so wird das Steinchen zerdrückt und zerrieben werden. Daraus folgt zunächst, daß einer der Reiter hier sehr vorsichtig und behutsam von seinem Pferde gestiegen ist. […]«

Der Krumir (1882)
KMW IV.24, S. 329

Über die falsche Bezeichnung »Wüstenkönig«

Uebrigens habe ich nicht gefunden, daß die Bezeichnung ›Wüstenkönig‹ eine richtige sei. In der eigentlichen Wüste ist der Löwe nie zu sehen; er würde dort weder die notwendige Nahrung noch auch das Wasser finden, von welchem er als Fleischfresser täglich eine sehr ansehnliche Quantität verbraucht. Er kommt nur in der Steppe und den Oasen vor, welche er zu erreichen vermag, ohne lange und anhaltend Durst leiden zu müssen.

Der Krumir (1882)
KMW IV.24, S. 318

Jenes eigentümliche Witterungsvermögen

Der Löwe geht ebenso wie der Panther erst zur Tränke, ehe er sich sein Fleisch holt. Dabei werden beide laut. Die Ebene, in welcher der Herr des Erdbebens seinen ›Palast‹ hatte, lag auf des Engländers Seite; es stand zu vermuten, daß er durch das Brüllen des Löwen gewarnt und benachrichtigt wurde. Meine Position dagegen war gefährlicher. Der Panther, welcher jedenfalls schon am Dschebel Berburu zur Tränke ging, von woher man seine Stimme nicht hören konnte, kam dann jedenfalls lautlos angeschlichen, so daß er mich sehr leicht überraschen konnte. Glücklicherweise waren mein Gesicht und mein Gehör während meiner vielen Irrfahrten zur Genüge geschärft worden, auch war mir jenes eigentümliche Witterungsvermögen zu eigen geworden, welches der Wilde Nordamerikas in so hohem Grade besitzt, und endlich verließ ich mich einigermaßen auch auf das unerklärliche Ahnen, welches uns sehr oft die Nähe einer Gefahr verkündet, wenn dieselbe von unsern Sinnen noch gar nicht bemerkt werden kann. Der Mensch ist der Kreatur gegenüber in den meisten Fällen viel besser ausgerüstet, als er anzunehmen pflegt.

Der Krumir (1882)
KMW IV.24, S. 297

Was ein geübtes Ohr vermag

Ein zweiter Schuß war gefallen, und zwar in größerer Nähe. Jetzt war es mir gewiß, daß Emmery Bothwell der Schütze sei. Ein geübtes Ohr vermag recht gut den Knall eines Gewehres von dem eines andern zu unterscheiden, und ich hatte den Ton dieser untrüglichen Kentuckybüchse zu oft gehört, um ihn nicht sofort zu erkennen.

Die Gum (1879)
KMW IV.24, S. 112

Was auch in der der Sahara von Nutzen sein kann

Wer unter den Indianerstämmen des wilden Westens jahrelang und in jedem Augenblick in Todesgefahr schwebte, hat sich an Scharfsinnigkeiten gewöhnt, welche ihm wohl auch in der Sahara von Nutzen sein können.

Die Gum (1879)
KMW IV.24, S. 21

Was der Hinterwäldler weiß

Es war noch ebenso finster wie vorher, und nur ein Westmann konnte es unternehmen, bei einem so schwierigen Terrain durch den Urwald auf einer Spur zu reiten, welche er nicht zu sehen vermochte. Ein europäischer Reiter wäre in dieser Dunkelheit abgestiegen, um sein Pferd zu führen; der Hinterwäldler aber weiß, daß sein Tier besser sehen kann als er.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 346

Was ein jeder erfahrene Westmann weiß

Ein jeder erfahrene Westmann weiß, daß ein jedes Gewehr seine eigene Stimme hat. Es ist unendlich schwierig, den Krach zweier Büchsen in dieser Beziehung zu unterscheiden; aber das Leben in der Wildnis schärft die Sinne bis zur höchsten Potenz, und wer eine Büchse öfters gehört hat, der kennt ihren Knall unter hunderten heraus. Daher kommt es, daß Jäger, die sich früher trafen, und dann lange Zeit nicht mehr sahen, sich bereits von weitem an der Stimme ihrer Gewehre wieder erkennen.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 328

Was ein rechter Westmann niemals tut

Ein rechter Westmann tut niemals halbe Arbeit.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 64

Was ein Fallensteller sein muss

Er sprach das Wort Fallensteller stets im Tone der Mißachtung aus und war also unerfahren genug, gar nicht zu wissen, daß grad ein Fallensteller es zu gar nichts bringen kann, wenn er nicht ein tüchtiger Schütze, überhaupt ein tüchtiger Westmann ist.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 425

Worum sich ein echter, rechter Trapper und Fallensteller nicht kümmert

Er hatte mit einem einfachen »Good day, Sir!« bei mir Platz genommen und schien sich dann nicht im geringsten weiter um mich zu bekümmern. Erst eine Stunde später bat er mich um die Erlaubnis, eine Pfeife rauchen zu dürfen. Das fiel mir auf, denn ein echter, rechter Trapper oder Fallensteller kümmert sich nicht darum, ob das, was ihm zu thun beliebt, von Andern gutgeheißen wird.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 306

Über die Waffen der Mexikaner

Besondere Fertigkeit entwickeln sie in der Führung einer sehr langen Reiterpistole mit gezogenem Rohre, welche stets so eingerichtet ist, daß man mit einem einzigen Drucke einen Gewehrkolben damit verbinden kann, wodurch die Pistole in eine kurzrohrige Büchse umgewandelt wird. Dieses Gewehr trägt in der Hand eines Mexikaners den sichern Tod auf eine Entfernung von hundertfünfzig Schritten hin, denn die Züge sind sehr kurz gewunden, das Geschoß bekommt folglich eine starke Achsendrehung und kann nicht leicht von der vorgeschriebenen Bahn abweichen; das Kammergeschütz aber fordert, der gedachten Einrichtung wegen, nur eine geringe Menge Pulver und stößt und schlägt nicht. Ein solches Gewehr ist in der Hand des Geübten ein wahrer Schatz, und die Pferde sind so gut dressiert, daß man auf ihnen sowohl dem Feinde zugewendet als auch ihm abgewendet schießen kann. Während des Reitens wird nämlich niemals seitwärts, sondern stets entweder vor- oder rückwärts geschossen. Steht das Pferd aber ruhig, so kann man das Gewehr nach jeder beliebigen Richtung hin brauchen; es genügt, dasselbe dem Pferde zu zeigen, um das kluge Tier für zehn Sekunden so unbeweglich zu machen, als ob es aus Stein gemeißelt oder aus Bronze gegossen sei.

Eine beinahe noch gefährlichere Waffe als dieses sicher treffende Schießeisen ist der Lasso, jene furchtbare Lederschlinge, mittels deren der Geübte den wilden Stier im Laufe, den schwarzen Tiger im Sprunge und den Menschen sowohl bei der Attacke als auch während der Flucht fängt und tötet. Der Lasso, ein wohl dreißig Ellen langer und mit einer Schlinge versehener Riemen, wird auf Mensch oder Tier meist während des Galoppierens geworfen, und es kommt vielleicht unter zehntausendmalen erst einmal vor, daß der zum Tode bestimmte Feind nicht getroffen wird. Mit dem Lasso üben sich schon die Kinder, und endlich scheint es, als ob er mit dem Menschen vollkommen verwachsen wäre; er gehorcht nicht bloß der Hand; man möchte sagen, er gehorcht dem Gedanken, denn die tödliche Schlinge fliegt dahin, wohin der Mensch sie haben will, gleichviel ob dieses im Spiel und Scherz, auf der Arena oder im ernsten Vernichtungskampfe sei

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 227 f.

Das Schießeisen des Westmanns

Er hatte seine Büchse wieder geladen. Sie war eines jener furchtbaren Schießeisen, wie man sie in der Prairie nicht selten findet. Der Schaft hat seine ursprüngliche Form verloren; Kerbe sitzt an Kerbe, Schnitt an Schnitt; jedes einzelne dieser Zeichen erinnert an den Tod eines Feindes. Der Lauf ist mit dickem Roste bedeckt, scheint sich gezogen zu haben, und kein Fremder vermag auch nur einen leidlichen Schuß daraus abzugeben. In der Hand des Besitzers aber ist eine solche Büchse unfehlbar; er ist seit Lebenszeit auf sie eingeübt, kennt alle ihre Vorzüge, alle ihre Tücken und Gebrechen, und wenn er eine Kugel hinabstößt auf das Pulver, so wettet er Leben und Seligkeit, daß sie ihr Ziel erreicht.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 23

Über das Brummen des grauen Bären

Ich brauchte nicht zu fragen, welches Ungetüm er meinte, denn ich sah es eben jetzt durch das Unterholz brechen. Es war ein grauer Bär, einer von der liebenswürdigen Sorte, welche der Jäger Grizzly nennt.

Ich habe den Löwen in der Wildnis jene Laute ausstoßen hören, welche der Araber mit dem Worte ›Rad‹, d. i. Donner, bezeichnet; ich habe den bengalischen Tiger brüllen hören, und das Herz ist mir, wenn auch die Hand nicht zittern durfte, dabei unruhig geworden; aber das tiefe, heisere, heimtückische, dämonische Brummen des grauen Bären schneidet durch Mark und Bein und verursacht selbst dem Beherzten ein Gefühl, als wenn ihm die Zähne ›eilig‹ würden, nur daß einem diese Empfindung nicht bloß durch die Zähne, sondern durch den ganzen Körper läuft.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 161 f.

Wie man Regen macht

Wenn in den glühenden Niederungen der Halbinsel Florida die jedes Wasser verzehrende Hitze so groß wird, daß Mensch und Tier verschmachten will, und dennoch die Erde bleibt wie ›flüssiges Blei und der Himmel wie glühendes Erz‹, ohne die kleinste Wolke sehen zu lassen, so stecken die verschmachtenden Leute das Schilf und alles sonstige ausgedorrte Gesträuch in Brand, und siehe da, der Regen kommt. Ich selbst hatte dies zweimal beobachtet, und wer einigermaßen mit den Gesetzen, Kräften und Erscheinungen der Natur vertraut ist, kann sich den Vorgang ganz gewiß erklären, ohne eine wissenschaftliche Erörterung zu verlangen.

Hieran dachte ich in diesem Augenblick; kaum war’s gedacht, kniete ich auch bereits bei den Pflanzen, um mir mit dem Messer die nötigen Zündfasern abzuschleißen. Einige Minuten später flackerte ein lustiges Feuer empor, welches erst langsam und dann immer schneller weiter um sich griff, bis ich endlich vor der Fronte eines Glutmeeres stand, dessen Grenzen nicht abzusehen waren.

[…]

»Ist nicht so schlimm, Sam. Ich habe das Ding in Florida gesehen und es hier einfach nachgemacht, weil ich denke, daß uns eine Handvoll Regen nicht sehr viel schaden wird. Schau, da hast du bereits die Wolke! Sobald der Kaktus niedergebrannt ist, geht es los. […]«

[…]

Meine Prophezeiung traf ein. Eine halbe Stunde später hatte sich die kleine Wolke so ausgebreitet, daß der ganze Himmel über uns bis rund um den Horizont tief schwarz erschien; dann brach es los, nicht allmählich wie in gemäßigteren Breiten, sondern plötzlich, als ob die Wolken aus festen Gefäßen beständen und umgestürzt worden seien. Es war, als trommelten zwanzig Fäuste auf unsern Schultern, und in der Zeit von nur einer Minute waren wir so vollständig durchnäßt, als wären wir in den Kleidern durch einen Fluß geschwommen.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 84–87

Wie man in der Savanne zu Zigarren kommt

»Was! Ihr habt eine Zigarrenfabrik?«

»Ja.«

»Wo denn?«

»Dort!«

Ich zeigte auf meinen Mustang.

»Charley, ich bitte Euch, macht mir nur dann einen Witz, wenn er zum Beispiel etwas taugt!«

[…]

»So will ich Euch meine Fabrik zeigen.«

Ich ging zu meinem Mustang, lockerte den Sattel und zog unter demselben ein kleines Kissen hervor, welches ich öffnete.

»Da, greift hinein!«

Er zog eine Hand voll Blätter hervor.

»Charley, macht mich nicht zum Narren! Das sind ja lauter Kirschen- und Lentiskenblätter!«

»Richtig! Ein wenig wilder Hanf dabei, und das Deckblatt hier ist weiter nichts als eine Ochsenzungenart, die Ihr hier wohl Verhally nennt. Dieses Kissen ist wirklich meine Tabakfabrik. Finde ich eine Sorte von diesen Blättern, so sammle ich sie nach Bedarf, stecke sie in das Kissen und lege dasselbe unter den Sattel; es entwickelt sich Wärme; die Blätter gären – da habt Ihr meine Kunst!«

»Unglaublich!«

»Aber wahr! Eine solche Zigarre ist allerdings nur ein höchst miserables Surrogat, und jeder Rippenpuffer, dessen Gaumen wie Büffelleder ist, wird höchstens einen Zug tun und sie dann wegwerfen; aber lauft einmal jahrelang in der Savanne umher und raucht dann ein solches Ding, so werden Euch die Ochsenzungenblätter wie der beste Goosefoot erscheinen. Ihr seht es ja an Eurem eigenen Beispiele!«

»Charley, Ihr steigt in meiner Achtung!«

Winnetou III (1893)
KMV IV.14, S. 36 f.

Was der Prairiejäger wissen muss

Weshalb begab ich mich in eine solche Gefahr? Ich konnte ja das Eintreffen Sams abwarten und dann ruhig mit ihm weiter reiten! Der Prairiejäger muß aber wissen, welchen Feind er vor, hinter und neben sich hat; er untersucht außerdem jeden geringfügigen Umstand, weil ihm dieser Aufschluß gibt über Dinge, die er wissen muß, deren Kenntnis seine Sicherheit erhöht und an die selbst der scharfsinnigste Professor und Gelehrte nicht denken würde. Der Prairiejäger zieht aus den unbedeutendsten Dingen, die für den Uneingeweihten gar nicht im Zusammenhange stehen, Schlüsse, über welche ein Anderer oftmals lachen würde, die sich aber in der Regel als richtig erweisen. Während er an dem einen Tag auf dem Mustang vierzig und fünfzig englische Meilen zurücklegt, kommt er am nächsten Tage kaum eine halbe Meile vorwärts, weil er bei jedem Schritt zu forschen hat, ob er ihn tun darf. Und selbst wenn er aus seiner Vorsicht keinen Nutzen für sich selbst zu ziehen vermag, wird seine Erfahrung doch für Andere von Wert sein; er kann ihnen raten, sie warnen und ihnen Auskunft erteilen.

Winnetou III (1893)
KMW IV.14, S. 29

Worauf ein echter Westmann nichts gibt

Der echte Westmann gibt auf sein Aeußeres nichts und hegt eine offen gezeigte Abneigung gegen alles, was sauber ist. Wer sich jahrelang im wilden Westen umhertreibt, ist in Beziehung auf seinen Habitus nicht salonfähig und vermutet in jedem, der sich propre trägt, einen Greenbill, dem nichts Rechtes zuzutrauen ist.

Winnetou III (1893)
KMV IV.14, S. 13

Über den eigenartigen Instinkt, welcher sich bei jedem guten Westmann ausbildet

Wir gingen an die Tür, schoben den Riegel zurück und öffneten sie so weit, daß nur eine kleine Spalte entstand, grad weit genug, um hinausblicken zu können. An diese stellte ich mich und wartete. Es verging eine geraume Zeit. Im Innern des Hauses war es absolut dunkel und still. Niemand regte sich. Da hörte ich den Späher kommen, oder vielmehr, ich hörte ihn nicht, denn es war wohl nicht das Ohr, mit welchem ich seine Annäherung vernahm, sondern jener eigenartige Instinkt, welcher sich bei jedem guten Westmann ausbildet, sagte es mir.

Winnetou II (1893)
KMW IV.13, S. 463

Über die Vorteile des auf dem Bauch Liegens beim Belauschen

Die beiden Strolche saßen dicht neben einander, mit den Gesichtern nach dem Hause zu. Es gelang mir, ganz lautlos so nahe an sie heranzukommen, daß mein Kopf sich kaum eine Elle weit von dem Körper des mir Nächstsitzenden befand. Nun legte ich mich auf den Bauch und das Gesicht nach unten in die Hände. Das hatte zweierlei Vorteil, wie ich bald bemerkte. Erstens konnte meine helle Gesichtsseite mich nicht verraten, und dann konnte ich in dieser Lage viel besser hören als mit erhobenem Kopfe.

Winnetou II (1893)
KMW IV.13, S. 118

Über die Notwendigkeit des geistigen Geübtseins beim Anschleichen

Die Lagernden sprachen miteinander, zwar in gedämpftem Tone, doch immerhin so, daß ich jedes Wort hören konnte. Leider aber verstand ich es nicht. Wie vorteilhaft wäre es gewesen, wenn ich hätte erfahren können, was sie sagten! Wie oft muß ich erzählen, daß ich während meiner Streifzüge im Westen Indianer ganz verschiedener Stämme und auf meinen Reisen in anderen Ländern wiederholt Lagerplätze angeschlichen und die dort befindlichen Menschen belauscht habe. Dieser Angewohnheit verdanke ich viele meiner Erfolge, oft sogar auch das Leben. Wer es liest, denkt wohl nicht daran oder hat keinen Begriff davon, wie schwer und wie gefährlich ein solches Anschleichen ist. Und diese Schwierigkeit bezieht sich nicht nur auf die Anforderungen, welche dabei der körperlichen Gewandtheit, Kraft und Ausdauer gemacht werden, sondern auch und vor allen Dingen auf das geistige Geübtsein, auf die unerläßliche Intelligenz und die Kenntnisse, welche man besitzen muß. Was nützt es mir, wenn ich ein Indianer-, Beduinen- oder Kurdenlager, eine sudanesische Seribah oder eine südamerikanische Gauchostätte noch so meisterhaft zu beschleichen verstehe, aber der betreffenden Sprache nicht mächtig bin und also nicht erfahren kann, was gesprochen wird! Und meist ist grad der Inhalt der Gespräche viel wichtiger als alles andere, was man dabei erfährt. Darum ist es stets mein erstes Bestreben gewesen, die Sprache der Menschen, mit denen ich es zu thun bekam, kennen zu lernen. Winnetou beherrschte sechzehn Indianerdialekte und ist auch hierin mein hervorragendster Lehrer gewesen. Es ist mir später niemals vorgekommen, daß ich einen Lagerplatz beschlich, ohne zu verstehen, was auf demselben gesprochen wurde.

Winnetou I (1893)
F 7, 563 f.

Eine Bemerkung über das Wort old

Ueberhaupt wird eine Bemerkung über das Wort old, alt, hier am Platze sein. Auch wir Deutschen bedienen uns dieses Wortes nicht bloß zur Bezeichnung des Alters, sondern oft auch als sogenanntes Kosewort. Eine »alte, gute Haut«, ein ›alter, guter Kerl‹ braucht gar nicht alt zu sein; man hört im Gegenteile oft sehr jugendliche Personen so nennen. Und auch noch eine andere Bedeutung hat dieses Wort. Es kommen im gewöhnlichen Verkehre Ausdrücke vor wie: ein alter Lüdrian, ein alter Brummbär, ein alter Wortfänger, ein alter Faselhans. Hier dient ›alt‹ als Bekräftigungs- oder gar als Steigerungswort. Die Eigenschaft, welche durch das Hauptwort ausgedrückt wird, soll noch besonders bestätigt oder als in höherem Grade vorhanden hervorgehoben werden.

Grad so wird auch im wilden Westen das Wort Old gebraucht. Einer der berühmtesten Prairiejäger war Old Firehand. Nahm er seine Büchse einmal in die Hand, so war das Feuer derselben stets todbringend; daher der Kriegsname Feuerhand. Das vorangesetzte Old sollte diese Treffsicherheit besonders hervorheben. Auch dem Namen Shatterhand, den ich bekommen hatte, wurde später stets dieses Old beigegeben.

Winnetou I (1893)
F 7, S. 197 f.

Die Gesetze der Prairie

»[…] Ihr nennt mich ein Greenhorn, aber ich kenne doch die Gesetze der Prairie. Wer mir mit dem Messer oder der Kugel droht, den darf ich augenblicklich erschießen.«

Winnetou I (1893)
F 7, S. 116

Was ein Westmann zu sich nehmen muss

Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als andere, die sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch zu sich nehmen muß, wenn er bestehen will.

Der Mensch braucht zu seiner Ernährung außer den anorganischen Stoffen eine gewisse Menge von Eiweiß und von Kohlenstoff und vermag sich beides gar wohl in der richtigen Mischung zu verschaffen, wenn er in einer zivilisierten Gegend lebt. Der Westmann, welcher viele Monate lang in keine bewohnte Gegend kommt oder kam, lebte nur vom Fleische, welches wenig Kohlenstoff enthält; er mußte also große Portionen essen, um seinem Körper die notwendige Menge Kohlenstoff zuzuführen. Daß er dabei unnötig viel Eiweiß genoß, welches seiner Ernährung nicht zu gute kam, mußte ihm gleichgültig sein. Ich habe einen alten Trapper acht Pfund Fleisch auf einmal essen sehen, und als ich ihn dann fragte, ob er satt sei, antwortete er schmunzelnd:

»Muß es wohl sein, denn ich habe nicht mehr; wenn Ihr mir aber ein Stück von dem Euren geben wollt, so sollt Ihr nicht ewig zu warten brauchen, bis Ihr es nicht mehr seht.«

Winnetou I (1893)
F 7, S. 76

Wie man in einem Gewässer mit Strudeln schwimmt

Aber schon war ich im Wasser. Ich sprang nicht hinein, sondern ich ließ mich leise hinab, denn bei den Strudeln, welche es hier gab, war es geraten, auf der Oberfläche zu bleiben. Hauptsache ist da ein kräftiges Ausstreichen, nicht auf voller Brust, sondern halb auf der Seite liegend, so daß man mit dem abwärts gerichteten Arm nach unten schlägt und also durch den Gegendruck oben gehalten wird.

Der Schut (1892)
F 6, S. 410

Wie man einen Bären erlegt

»Ja, doch giebt es Jäger, welche dem Bär bloß mit dem Messer zu Leibe gehen.«

»Ist das möglich?«

»Gewiß. Nur gehört ruhiges Blut, Körperkraft und ein sicherer Stoß dazu. Trifft das Messer das Herz nicht, so ist es gewöhnlich um den Mann geschehen. Bedient man sich der Büchse, so kann man ihn auf verschiedene Weise erlegen. Nie aber schieße auf weite Distanz. Am sichersten ist es, man geht dem Burschen mit dem angelegten Gewehr entgegen. Er richtet sich auf, um den Schützen zu empfangen. Auf zehn Schritte gibt man ihm den tödlichen Schuß grad ins Herz. Da er gewöhnlich den Rachen weit aufreißt, kann man auch da eine tödliche Stelle treffen, indem man ihm die Kugel durch den obern Teil des Rachens ins Gehirn jagt. Doch selbst dann, wenn er stürzt und ohne Bewegung liegt, ist noch Vorsicht geboten. Bevor man sich bei einem getroffenen Bären häuslich niederläßt, muß man sich ganz genau überzeugen, daß er auch wirklich getötet worden ist.«

Der Schut (1892)
F 6, S. 112

Wann man auf dem Rücken schwimmen muss

Ich befand mich jenseits der Stromesmitte und mußte trachten, das Ufer zu erreichen, ohne im Kampf mit den Wogen meine Kräfte aufzureiben. In solchen Lagen darf man nicht vorn, sondern muß auf dem Rücken schwimmen, obgleich dies den Nachteil hat, daß man nicht nach vorwärts blicken kann. Es ist bequemer, und man kann weit mehr tragen.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 563

Wie man eine Flinte unbrauchbar macht

Als ich bei ihm stand, nahm ich die Flinte vom Sattel, schnappte den Hahn auf und nahm das Zündhütchen ab. Nun zog ich aus der Jacke eine Stecknadel – ich hatte stets einige darin stecken – und stieß sie möglichst tief und fest in das Zündloch. Indem ich sie nach links und rechts bog, brach ich sie ab. Das Löchelchen war vollständig verstopft und die Flinte nun so unbrauchbar, wie eine vernagelte Kanone.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 343

Über die Gedanken und Folgerungen des Geistes

Es giebt Situationen, in denen der Geist in einem halben Augenblick Gedanken und Folgerungen bildet, zu denen er sonst Minuten braucht. Das Handeln scheint dann nur ein instinktives zu sein; aber in Wahrheit hat der Geist wirklich seine ordentlichen Schlüsse gebildet, nur daß die Association der Ideen eine blitzartige gewesen ist.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 311

Was so Jägerart ist

»Ist sie geladen?«

»Ja. Sobald ich einen Schuß abgegeben habe, lade ich sofort wieder. Das ist so Jägerart.«

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 310

Wie man den stärksten Mann mit nur einer Hand zur Erde zwingt

Ich legte meine Hand in der Weise auf seine linke Achsel, daß der Daumen unter das Schlüsselbein zu liegen kam, die anderen vier Finger aber den nach oben und außen ragenden Teil des Schulterblattes erfaßten, welcher mit dem Oberarmknochen das Achselgelenk bildet. Wer diesen Griff kennt und ihn anzuwenden versteht, der kann den stärksten Mann mit nur einer Hand zur Erde zwingen. Ich zog die Hand in schnellem kräftigem Druck zusammen. Da stieß er einen lauten Schrei aus, wollte sich loswinden, kam aber nicht dazu, denn der Schmerz ging ihm so durch den ganzen Körper, daß er in die Kniee brach und auf den Boden niedersank.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 148

Wie man eine geheime Botschaft entdeckt

Ich hielt das Papier mit seiner Fläche senkrecht zwischen das Auge und die Sonne; ich konnte nichts Auffälliges bemerken. Ich befühlte und beroch es, aber ohne Erfolg. Nun hielt ich es wagrecht so, daß ich die darauf fallenden Sonnenstrahlen mit dem Auge auffing, und da endlich zeigten sich mir mehrere, allerdings nur einem sehr scharfen Blicke bemerkbare Stellen, welche zwar mit der Farbe des Papiers beinahe verschwammen, aber dennoch die Gestalt von Schriftzeichen zu haben schienen.

Durchs wilde Kurdistan (1892)
F 2, S. 92 f.

Über die Ähnlichkeit von Mensch und Tier

Mag man nun Phrenolog und Physiognomiker sein oder nicht, man wird doch bald bemerken, daß auch die Haltung, der Gang, die Ausdrucksweise, das ganze Thun und Treiben eines solchen Menschen eine gewisse Aehnlichkeit mit der Art und Weise des Tieres besitzt, an das man durch die Physiognomie erinnert wurde.

Durchs wilde Kurdistan (1892)
F 2, S. 47 f.

Woran man geheime Wegzeichen erkennt

»Vielleicht hältst Du auch das für ein Zeichen?« sagte er lächelnd.

Ich untersuchte das Bäumchen.

»Allerdings ist es ein Zeichen. Sieh das Stämmchen an, meinetwegen auch die Stämme der anderen Bäume, welche in der Nähe stehen; betrachte ferner die Richtung der Höhen hier, und Du wirst finden, daß allein der Westen die Windseite dieses Platzes sein kann. Kein Nord-, Süd- oder Ostwind kann hier so stark sein, daß er die Krone dieses schwanken Bäumchens bricht. Und doch ist sie gebrochen, und zwar so, daß sie nach West zeigt. Fällt Dir das nicht auf?«

»Allerdings, Emir!«

»Und nun sieh die Bruchfläche an! Sie ist noch hell, sie kann nur aus der Zeit stammen, in der ihr hier vorüberkamt. Auch hatte es in den letzten Tagen keinen Sturm gegeben, der mächtig genug gewesen wäre, diese Knickung hervorzubringen. Die Krone zeigt nach West, die Richtung, welche Ihr eingeschlagen habt. Komm weiter!«

Von Bagdad nach Stambul (1892)
F 3, S. 216

Die Hauptsache bei der Sicherheit eines Lagers

Aus alter langjähriger Gewohnheit wollte ich mich zunächst von der Sicherheit des Lagers überzeugen. Die Hauptsache ist dabei, die eigenen Spuren zu verbergen und dann nachzuforschen, ob sich Spuren feindseliger Wesen bemerkbar machen.

Von Bagdad nach Stambul (1892)
F 3, S. 211

Die Eigenheiten des nächtlichen Nahekampfes

Es ist etwas Eigenes um so einen nächtlichen Nahekampf. Die Sinne schärfen sich auf das Doppelte ihres gewöhnlichen Vermögens; man sieht, was man sonst nicht sehen würde, und ein gewisser Instinkt, nach welchem man in solchen Augenblicken der Gefahr handelt, und zwar augenblicklich handelt, besitzt die Überlegenheit eines wohldurchdachten Entschlusses.

Von Bagdad nach Stambul (1892)
F 3, S. 505

Wie man Husten und Niesen unterdrückt

»Hast Du gelernt, Husten und Niesen unbedingt zu unterdrücken?«

»Das ist unmöglich!«

»Es ist nicht unmöglich; es ist nicht einmal schwer, wenn man sich darin gehörig geübt hat. […] Wenn Dir ein Reiz in die Kehle oder Nase kommt, so lege den Mund fest auf die Erde und bedecke den Kopf. Wer einen Andern beschleichen will, darf nie durch die Nase Atem holen; dann ist das Niesen ausgeschlossen. Wer in der Nähe eines Feindes husten muß, der huste mit eingehülltem Kopfe in die Erde hinein und ahme dabei, wenn es Nacht ist, den Ruf des Uhu nach. Ein echter, erfahrener Schekarji *) aber wird nie husten oder niesen. Komm!«

*) Jäger

Von Bagdad nach Stambul (1892)
F 3, S. 223

Was für den Westmann am gefährlichsten ist

Ein offener Weg führte nicht hinauf. Man mußte unter Bäumen reiten. Diese standen so weit auseinander, daß sie keine Hindernisse boten. Aber gerade der Ritt im Walde ist für den Westmann am gefährlichsten. Es kann hinter dem nächsten Baum ein Feind verborgen sein, von dessen Gegenwart er keine Ahnung hat.

Der Sohn des Bärenjägers (1887)
KMW III.1, S. 299

Wozu das wohlgeübte Auge eines Westmannes im stande ist

Sofort richteten sie ihre Augen scheinbar von der Thür weg, aber eben nur scheinbar, denn wer das wohlgeübte Auge eines Westmannes kennt, der weiß, daß es im stande ist, auch von der Seite her soviel Strahlen aufzunehmen, um genau zu sehen, was da geschieht, wohin es nicht zu blicken scheint.

Der schwarze Mustang (1896/1897)
KMW III.7, S. 42

Wozu eiserne Muskeln und stählerne Nerven gehören

Wer dieses Anschleichen nicht selbst versucht hat, glaubt gar nicht, welch eiserne Muskeln und stählerne Nerven dazu gehören, sich mit lang gestrecktem Körper nur auf den Spitzen der Füße und Finger über die Erde hinzuschieben. Benutzte man dabei die Sohlen der Füße, die Teller der Hände oder gar das Knie, so würde wiederholtes Geräusch ganz unvermeidlich sein. […] Die Stelle, auf welche man die Finger setzen will, wird vorher mit den Spitzen derselben sorgfältig untersucht, ob da nichts Zerbrechliches etc. vorhanden ist. Genau auf dieselbe Stelle kommen dann im Weiterschleichen die Fußspitzen zu ruhen. Mancher ganz gute Schütze und ganz brave Westmann bleibt während seines Lebens doch ein schlechter Anschleicher.

Ein Oelbrand (1882–1883)
KMW IV.27, S. 120

Was gar nicht leicht ist

Wir schnellten unhörbar hinter ihnen her; ein kräftiges Ausholen, ein gelungener Sprung, und wir befanden uns hinter ihnen auf den Pferden. Die eine Hand fest um ihre Kehle, mit der andern einige Hiebe an die Schläfe, und sie glitten, indem wir nachhalfen, in bewußtlosem Zustande von ihren Pferden herab, die allerdings nicht stillstehen, sondern davonrennen wollten. Ein solcher Ueberfall von hinten auf das Pferd ist gar nicht leicht; man bringt es nur nach langer Uebung fertig.

Mutterliebe (1897/1898)
KMW IV.27, S. 594

Die allerschwierigste Aufgabe des Prairiejägers

Eine der schwierigsten, wo nicht die allerschwierigste Aufgabe des Prairiejägers ist das Anschleichen an den Feind. Es gehört nicht nur eine jahrelange Uebung, sondern auch geradezu eine natürliche Begabung dazu, sich auf die vollständig unhörbare Weise eines wilden, reißenden Thieres einem Gegner zu nähern, der alle seine Sinne auf das Aeußerste anstrengt, diese Annäherung zu bemerken. […]

Schon die Annäherung an einen einzelnen Feind ist schwer. Man muß jeden Vortheil des Terrains berücksichtigen, jede Deckung benutzen, die Lage jedes Zweiges, jedes Blattes berechnen; da gibt es zu Rathe zu ziehen die Farbe der Erde und der Umgebung, die Richtung des Luftzuges, die Anwesenheit von Vögeln und anderen Thieren, deren Flucht Einen verrathen würde. Da schleicht man, den Leib tief an der Erde, aber doch so, daß er den Boden nicht berührt, nur auf den Spitzen der Zehen und der Finger, was große Körperkraft erfordert und außerordentlich anstrengend ist; da gilt es, die Gestalt eines Baumstumpfes oder Steines anzunehmen und oft eine Geduld zu entfalten, welche den Geist ermüdet und den Körper entkräftet.

Schlimmer noch ist es, eine große Mehrzahl anzuschleichen, da es dann gilt, die Aufmerksamkeit Vieler zu täuschen. Ist es am Tage, so wird man leichter gesehen, aber man befindet sich ja auch selbst in der Lage, Alles genau sehen, beobachten und benutzen zu können. Ist es bei Nacht, so befindet man sich allerdings unter dem Schutze der Dunkelheit, aber diese Letztere birgt wiederum die größten Gefahren in sich. Jeder Augenblick kann die Entdeckung bringen und mit ihr den unvermeidlichen Tod.

Im »Wilden Westen« Nordamerika’s (1883)
KMW IV.27, S. 57 f.

Über die geheimen Erkennungszeichen in der Wildnis

Nun galt es, Winnetou zu finden. Das scheint schwerer zu sein, als es eigentlich war. Wir hatten uns schon öfters getrennt und doch selbst in der felsigsten Einöde, im tiefsten Urwalde wiedergefunden. Wir hatten unsere Zeichen, die kein anderer bemerken konnte.

Ich ritt das Wasser entlang und beobachtete die in demselben liegenden Steine. Da, bereits nach einer Viertelstunde, bemerkte ich zwei neben einander im Wasser liegende Kiesel, zwischen denen drei dünne Zweige eingeklemmt waren; zwei waren kahl, und der dritte hatte seine Seitenästchen und Blätter noch. Die Spitze zeigte aufwärts. Das war eines unsrer Zeichen. Winnetou hatte es errichtet. Die Spitze des belaubten Zweiges sagte mir, wohin er geritten sei, und die beiden andern Zweige zeigten genau gegen den Punkt des Himmels, wo die Sonne zu der Zeit gestanden hatte, an welcher er das Zeichen errichtete. An der Frische der Blätter konnte ich den Tag, ob heute, gestern oder noch eher, erkennen.

Auf diese Weise erfuhr ich, daß der Apachenhäuptling heute vormittag um neun Uhr hier gewesen sei. Da er hier nicht nötig zu haben glaubte, seine Fährte zu verwischen, so fand ich sehr bald die Spur seines Pferdes und folgte derselben. Ich fand den Ort, an welchem er in der heißesten Tagesstunde geruht hatte, und da stak auch das sichere Zeichen, daß er hierher zurückkehren werde, um sein Nachtlager hier aufzuschlagen. Dieses Zeichen bestand einfach aus einem kleinen, dünnen Pulverholzästchen, welches mit dem einen Ende im Boden steckte. Es konnte dazu jede Holzart, Holunder etc. etc. benutzt werden, deren Mark sich leicht entfernen läßt. Das sah so zufällig aus, daß der erfahrenste Trapper, der scharfsinnigste Wilde nicht auf den Gedanken gekommen wäre, hier vor einer deutlich lesbaren Schrift zu stehen. Auf solche Weise beherrscht man die öde Llano, die weite Prärie, das wilde Gebirge und den dichten Urwald. Durch solche unscheinbare Mittel sind Männer wie Winnetou, Old Firehand, der lange Hilbers, Fred Walker, Sam Hawkens und andere zu ihrer Berühmtheit gekommen. Ich kannte sie alle und hatte von ihnen viel, ja alles gelernt. Es ist mit dem wilden Westen wie mit dem Wasser: man darf nicht zagen, man muß sich, um schwimmen zu lernen, mutig hineinstürzen; es trägt den Menschen von selber, und die Lehrlingszeit vergeht um so schneller, je größeren Eifer man der Uebung widmet.

Ein Oelbrand (1882–1883)
KMW IV.27, S. 146 f.

Was ein alter Waldläufer weiß

Wer jahrelang und unter tausend Gefahren sich im »wilden Westen« aufgehalten hat, der weiß jeden, auch den kleinsten Laut der Natur zu beurteilen. Ein Zweig knickte drüben, ein dürrer, dünner Zweig, der auf dem Boden gelegen hatte; ich hörte es deutlich, und so leise dieser Ton gewesen war, sagte er mir doch, daß er von dem Fuße eines Menschen verursacht worden sei. Zerbricht ein Aestchen, ein Zweig in dieser Höhe, so hat dies wenig zu bedeuten, denn es ist vom Winde oder von einem Tiere geschehen, knickt das Holz aber am Boden, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß ein Mensch in der Nähe ist. Und ein alter Waldläufer weiß an dem Geräusch sehr genau zu entscheiden, ob der Zweig von dem elastischen Fuße eines schleichenden Tieres oder dem weniger biegsamen eines Menschen zerbrochen wurde. Er weiß sogar durch langjährige Uebung zu bestimmen, ob das Geräusch durch den hartsohligen Stiefel eines Weißen oder den weichen, nachgiebigen Mokassin eines Indianers hervorgebracht ist.

Ein Oelbrand (1882–1883)
KMW IV.27, S. 115 f.

Worauf es im Zweikampf ankommt

In der Führung indianischer Waffen war Winnetou mein Lehrmeister gewesen; mehr brauche ich nicht zu sagen. […] Auch kommt es nicht auf die Masse der Muskeln an, oder deutlicher gesagt, wie groß die Muskelklumpen sind, sondern auf ihre Uebung, Stählung und Härtung. Ein gut trainierter Körper, dessen Muskelsystem sorgfältig geübt und harmonisch ausgebildet wurde, ist auf alle Fälle zuverlässiger, als ein Gebäude von wenn auch noch so kräftigen Fleischteilen, welche entweder gar nicht oder nicht richtig geschult worden sind. Ein hagerer Mann wirft oft einen scheinbaren Herkules zu Boden. Und es giebt andere, wichtige Körperteile, wie z. B. das Herz, die Lungen, auf deren Leistungen selbst Löwen- oder Bärenmuskeln sehr mit angewiesen sind. Von den Sehnen und Knochen will ich gar nicht sprechen; sie gehören aber auch dazu. Der Hauptvorteil, welchen ich besaß, war meine Ruhe, jene unerschütterliche Ruhe, die mich selbst in den schlimmsten Lagen nicht verlassen hat, ja, die sogar mit der Größe der Gefahr zu wachsen pflegte. […] Diese Kaltblütigkeit, welche durch nichts zu erschüttern war, hatte mich schon manchem Gegner überlegen gemacht und mich glücklich aus Fährlichkeiten geführt, welche ich ohne sie sicher nicht bestanden hätte. Ich besitze sie heute noch in demselben Maße wie früher, es kann mich nichts aus der Fassung bringen. Es ist eine ganz eigene Sache um diese Ruhe; ich weiß nicht, ob sie eine Folge meines Selbstvertrauens oder ob dieses eine Folge von ihr ist, oder ob sie beide so innig zusammengehören, daß sie ein Ganzes bilden und gar nicht voneinander zu trennen sind.

Weihnacht!« (1897)
F 24, S. 490 f.

Das geistige Sehen und Hören des Westmanns

»Pshaw! Es ist nicht bloß der Scharfsinn, der mich auf sie bringt, sondern noch etwas anderes, wofür es aber keinen treffenden Ausdruck giebt. Der Westmann eignet sich nämlich nach und nach einen, ich will sagen, sechsten Sinn an, auf den er sich ebenso wie auf die fünf eigentlichen Sinne verlassen kann. Es ist das eine Art geistigen Sehens oder Hörens, eine geheimnisvolle Art der Wahrnehmung, welche nicht von Licht- oder Schallwellen abhängig ist. Man möchte ihn den Ahnungs- oder den Vermutungssinn nennen, wenn Vermutungen und Ahnungen nicht etwas so Unbestimmtes wären, denn dieser sechste Sinn trifft das Richtige mit ganz derselben Sicherheit, wie das Auge einen vor ihm stehenden Gegenstand erfaßt. Der Westmann hat sich diesen Sinn ganz in derselben Weise nach und nach anzuüben, wie das Kind auch erst durch lange Uebung die Fertigkeit gewinnt, sich seiner Sinne zu bedienen; dann aber, wenn man ihn einmal besitzt, kann man sich auf ihn ebenso fest wie auf das Auge oder das Ohr verlassen; ja, es kommt sogar nicht selten vor, daß er den Ausschlag giebt, wenn die Ergebnisse von Gesicht und Gehör einander widersprechen. Kein Mensch besitzt diesen Sinn in so hoher Schärfe und Entwickelung wie Winnetou. Ich bin doch gewiß kein Neuling, aber es hat Fälle gegeben, in denen selbst ich im höchsten Grade über die Sicherheit erstaunte, mit welcher er Dinge vorhersagte, auf welche ich mit all meinem Scharfsinn nicht gekommen wäre. Diese Ankündigungen sind dann stets so genau in Erfüllung gegangen, als ob er die betreffenden, in der Zukunft liegenden Verhältnisse ganz deutlich vor seinen Augen gehabt hätte. Wenn ich diesen Sinn nicht auch besäße, wäre ich da wohl zuweilen versucht gewesen, anzunehmen, daß er zu den Menschen gehöre, welche mit dem sogenannten ›zweiten Gesicht‹ begabt sind. […].«

Weihnacht!« (1897)
F 24, S. 315 f.

Worauf ein echter Prairiejäger nichts gibt

Der echte Prairiejäger gibt nichts auf Glanz und Sauberkeit; je mitgenommener er aussieht, desto größer die Ehre, denn desto mehr hat er mitgemacht. Er betrachtet einen jeden, der auf sein Aeußeres etwas hält, mit souveräner Geringschätzung; der allergrößte Greuel aber ist ihm ein blankgeputztes Gewehr.

Der Oelprinz (1893/1894)
KMW III.6, S. 248

Etwas, ohne das der Westläufer nur ein Jäger niedrigster Klasse bleibt

Nach der angegebenen Zeit von einer Stunde war der grüne Vegetationsstreifen des Rio Pecos längst nicht mehr hinter uns zu sehen; vor uns lag die Prairie meilen- und aber meilenweit; es gab rings keinen Punkt, an welchem das Auge den Halt zu einer Berechnung finden konnte, und dennoch wußte ich, daß ich mich nun auf der vorhin erwähnten Linie befand. Das war der Oertlichkeitssinn oder vielmehr der Ortsinstinkt, der dem Wandertiere eigen ist und ohne den auch der Westläufer in hundert und wieder hundert Gefahren gerät. Wer ihn nicht besitzt, der wird entweder zu Grunde gehen oder ein Jäger niedrigster Klasse bleiben.

Old Surehand I (1894)
F 14, S. 207 f.

Woran man die Spuren eines Reitkamels erkennt

Ich stieg ab. Es waren die Fährten dreier Tiere zu bemerken, eines Kamels und zweier Pferde. Das erstere war jedenfalls ein Reitkamel, wie ich an der Zierlichkeit seiner Hufeindrücke bemerkte.

Durch Wüste und Harem (1892)
F 1, S. 11

Woran der Westmann gewöhnt ist

Als wir den Lagerplatz verließen, stand die Sonne bereits am Horizonte. In einer halben Stunde mußte es dunkel sein. Das konnte uns aber nicht stören; der Westmann ist es gewöhnt, keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht zu machen, und wenn er die nötige Uebung besitzt, so dienen ihm selbst in mondloser Nacht die Sterne des Himmels als Wegweiser, die so untrüglich sind, daß er sich niemals irren kann.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 44

Was nur ein Westmann erkennen kann

Als ich nun den Blick mit doppelter Schärfe nach der Stelle richtete, sah ich zwei wie phosphorescierende Punkte; das waren seine Augen, die allerdings nur ein Westmann erkennen konnte, dessen Gesicht durch lange Uebung geschärft worden war. Es giebt im Westen hunderte von Jägern, die es niemals fertig bringen, des Nachts die Augen eines Spähers zu entdecken. Die Uebung thut es nicht allein; sie ist zwar sehr notwendig dazu, aber es muß das auch eine Gabe, also angeboren sein.

Old Surehand I (1894)
F 14, S. 52 f.

Wie man einen Tomahawk abwehrt

Dagegen aber nahm ich den Bärentöter zur Hand. Er war die einzige Waffe, mit welcher ich das Beil parieren konnte, übrigens ein Kunststück, welches nur derjenige versuchen darf, welcher sich wohlgeübt hat, einen auf ihn geschleuderten Tomahawk mit dem Lauf des Gewehres von sich abzuhalten, so daß das Beil zur Seite fliegt, ohne eine jener starken und gefährlichen Verletzungen hervorzubringen, welche stets die Folge eines unsicheren Parierens sind. Es gilt nicht nur, dem Beil während des Fluges anzusehen, auf welche Stelle es treffen will, sondern man muß auch trotz der großen Schnelligkeit der in kreisförmigem Wirbel heransausenden Waffe genau zwischen Stiel und Helm unterscheiden, sonst schlägt das Beil um den Gewehrlauf herum und trifft doch das Ziel. Vor allen Dingen muß man das parierende Gewehr mit beiden Händen halten, weil der Anprall ein ganz gewaltiger ist, sonst bekommt man Beil und Gewehr ins Gesicht, und sodann muß das letztere eine schiefe Richtung haben, damit das Beil in einem spitzen Winkel aufschlägt und im stumpfen Winkel auswärts abgleitet. Körperkraft, Uebung und ein sehr scharfes Auge, das ist’s, was dazu gehört.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 370

Wovon der zahme europäische Tourist gar keine Ahnung hat

Freilich war dies nicht so leicht, wie es sich erzählen läßt. Welche umständlichen und umfangreichen Vorbereitungen trifft der Schweizreisende, ehe er sich anschickt, einen der Alpenberge zu besteigen! Und was ist sein Unternehmen gegen dasjenige eines einsamen Westmannes, der es wagt, im Vertrauen nur auf sich allein und seine gute Büchse Gefahren entgegen zu gehen, von denen der zahme europäische Tourist gar keine Ahnung hat! Aber gerade diese Gefahren sind es, die ihn locken und bezaubern. Seine Muskeln sind von Eisen und seine Sehnen von Stahl; sein Körper kennt keine Anstrengungen und Entbehrungen, und alle Tätigkeiten seines Geistes haben durch unausgesetzte Uebung eine Energie und Schärfe erlangt, die ihn selbst noch in der größten Not ein Rettungsmittel finden lassen. Daher ist seines Bleibens nicht in zivilisierten Distrikten, wo er seine Fähigkeiten nicht üben und betätigen kann; er muß hinaus in die wilde Savanne, hinein in die todbringenden Abgründe des Gebirges, und je drohender die Gefahren auf ihn einstürmen, desto mehr fühlt er sich in seinem Elemente, desto höher wächst sein Mut, desto größer wird sein Selbstvertrauen, und desto inniger hält er die Ueberzeugung fest, daß er selbst in der tiefsten Einsamkeit von einer Hand geleitet wird, die stärker ist als alle irdische Gewalt.

Winnetou III (1893)
F 9, S. 357 f.

Was so zwischen Westmännern üblich ist

Es gab zwischen denen, welche sich noch nie gesehen hatten und sich kennen lernen wollten, gar viel zu erzählen. Im Laufe des Abends wurde zwischen Hawkens, Stone und Parker einerseits und Frank und Droll andrerseits Brüderschaft gemacht, wie das so zwischen Westmännern üblich ist. Nur ganz hervorragende Jäger pflegen sich in dieser Beziehung zurückzuhalten, und dann wird auch kein andrer es wagen, einen Antrag auf das Du auszusprechen.

Der Oelprinz (1893/1894)
KMW III.6, S. 203

Von den Redensarten der Westmänner: Old Wabble

[…] Old Wabble war trotz seiner Schlotterigkeit nicht nur ein Meister im Reiten, im Gebrauche der Rifle und des Lariat, sondern es entging ihm auch nicht eine der andern Eigenschaften, welche ein richtiger Westmann besitzen muß. »Th’is clear,« das war seine ständige Redensart, welche bewies, daß ihm oft das Schwierigste als leicht und ganz selbstverständlich erschien.

Old Surehand I (1894)
F 14, S. 14

Von den Redensarten der Westmänner: Dick Hammerdull

Hammerdull war ein kleiner und, was im Westen sehr selten ist, außerordentlich dicker Kerl und hielt sein von Schmarren und Narben durchzogenes Gesicht so viel wie möglich stets glatt rasiert. Seine List kam seiner Verwegenheit gleich, was ihn für jeden zu einem sehr willkommenen Gefährten machte, wenngleich es mir oft lieber gewesen wäre, wenn er mehr bedachtsam als kühn gehandelt hätte. Er hatte sich die eigentümliche Redensart »ob ..... oder nicht ....., das bleibt sich gleich« angewöhnt und rief dadurch fast stets ein Lächeln auf den Gesichtern seiner Gefährten hervor.

Old Cursing-Dry (1896)
KMG-Reprint, S. 91

Die Gewohnheit vieler Westläufer

Wir folgten dieser Aufforderung, wobei Sam Hawkens zu meinem Erstaunen gar nicht vorher ablegte. Erst als wir unsere Plätze an der Tafel angewiesen erhielten, sagte er, indem er auf seinen alten Schießprügel deutete:

»Ein richtiger Westmann läßt sein Gewehr niemals aus den Augen und ich meine brave Liddy erst recht nicht. Werde sie dort an die Gardinenrosette hängen.«

Also Liddy nannte er sein Gewehr! Später erfuhr ich freilich, daß es die Gewohnheit vieler Westläufer ist, ihr Gewehr wie ein lebendes Wesen zu behandeln und ihm einen Namen zu geben.

Winnetou I (1893)
F 7, S. 30

Von den Redensarten der Westmänner: Tante Droll, Sam Hawkens

Es ist ganz eigentümlich und eine alte Erfahrung, daß es selten einen richtigen Westmann gibt, der sich nicht irgend eine bestimmte, stehende Redensart angewöhnt hat. Sam Hawkens z. B. bediente sich häufig der Worte »wenn ich mich nicht irre«; Droll hatte sich den Ausdruck »wenn es nötig ist« angewöhnt.

Der Oelprinz (1893/1894)
KMW III.6, S. 156

Wann man das Ohr zuhilfe nimmt

Glücklicherweise bestand der Boden aus weicher Humuserde; es gab keine Steine, die durch einen unvorsichtigen Schritt ins Kollern kommen konnten, und starke Bäume standen genug da, hinter denen ich mich, falls ich einen Menschen sah, sofort verstecken konnte. Man verhält sich bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine war, in der Weise, daß man, hinter einem Baume stehend, mit den Augen die Umgebung absucht und zugleich das Ohr zu Hilfe nimmt, jedes verdächtige Geräusch zu entdecken; hat man keinen Grund zum Mißtrauen gefunden, so sucht man so rasch wie möglich den nächsten Baum zu erreichen, von welchem aus man das Spähen und Lauschen fortzusetzen hat. Das erfordert zwar Zeit, entschädigt aber für diesen Verlust mehr als reichlich durch die Sicherheit, die man dadurch für sich gewinnt.

Indem ich diesen Trick anwendete, kam ich, ohne etwas Störendes bemerkt zu haben, binnen einer halben Stunde so weit den Berg hinab, daß ich endlich unter mir Stimmen hörte; die klangen jedenfalls vom Lager herauf, dessen Nähe ich erreicht hatte. Meine Abschätzung der Gegend und der Entfernungen war also richtig gewesen, obgleich es nicht etwa leicht ist, so, wie in meiner Lage, in fernem Lande, zwischen Bergen und Wäldern, die man nicht kennt und wo die Lichtverhältnisse und der verschiedene Feuchtigkeitsgehalt der Luft das Auge täuschen, vorherzusagen, in welcher Weise und zu welcher Zeit man auf Umwegen, zu denen man gezwungen ist, einen bestimmten Ort erreichen werde.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 292

Woran das Anschleichen unter Umständen zehrt

Das Anschleichen und Belauschen kann unter Umständen die Körper- und auch die Geisteskräfte des geübtesten Mannes vollständig aufzehren; ich hatte solche Fälle sogar an mir selbst erlebt und heut und hier, das wußte ich im voraus, standen mir Schwierigkeiten entgegen, wie ich sie selten zu überwinden gehabt hatte.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 290

Wie man den passendsten Bison aussucht

Ich war in den Prairien Nordamerikas oft mit andern Jägern mitten in die Herden wilder Büffel hineingeritten und, während die Herde vorwärts stürmte, von dem Rücken des einen Bison auf den Rücken des andern gesprungen, was man thut, um sich das zum Fleischmachen passendste Tier auszusuchen.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 214

Was bei einem gut geschulten Anschleicher unmöglich vorkommen kann

Er glitt durch die Wandöffnung zu uns herein und wendete sich dann nach rechts, wo ich erst gelegen hatte und wo Halef noch lag, während ich mich jetzt links davon befand. Ich konnte ihn nicht sehen, täuschte mich aber trotzdem nicht, denn das leise, leise Streichen des Gewandes war keine Hallucination, und wenn ich ja noch gezweifelt hätte, so gab es jetzt ein zwar sehr kurzes, aber noch deutlicheres Geräusch, welches mir bewies, daß ich mich in keinem Irrtume befand: es war das Knacken eines Gelenkes, welches bei einem gut geschulten Anschleicher, der er aber nicht war, unmöglich vorkommen kann. Dies ist wieder einmal ein Beweis, wie außerordentlich schwer ein tadelloses Anschleichen ist, denn an dem leisen Knacken auch nur eines Fingergelenkes kann das Leben hängen!

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 200 f.

Wie man sich angewöhnt, den geringsten Umstand zu beachten

Es war nur ein einziger Gast zu sehen, welcher an einem der Tische in der Weise hockte, daß er das Gesicht auf die Arme gelegt hatte. Vor ihm stand eine thönerne Flasche mit zwei kleinen, ebenso thönernen Trinkgefäßen, aus denen jedenfalls der Raki getrunken worden war, welcher den Wirt zum Rausche und zur hundertundneunten Sure geführt hatte. Seiner Ansicht nach sollte der Gast noch betrunkener sein als er. Ich richtete also gleich beim Eintritte mein Auge auf diesen Mann. Er hob den Kopf ein wenig und sah uns an; sein scharfer, forschender Blick war nicht der eines Betrunkenen; so kam es mir vor, obgleich er den Kopf gleich wieder auf die Arme legte. Hatte ich mich getäuscht? Befand sich der Wirt im Irrtum? Oder verstellte sich dieser Mann? Wenn dies letztere der Fall war, so mußte dem eine Absicht zu Grunde liegen, welche keine gute sein konnte. Wenn man mich fragt, wie ich zu diesem Verdachte kommen konnte, so antworte ich: Wenn man sich auf jahrelangen Reisen so oft in Gefahr befunden hat wie ich, so gewöhnt man sich, den geringsten Umstand zu beachten, das kleinste Vorkommnis schnell zu erfassen und alles, was sich nicht sofort erklären läßt, mit Mißtrauen zu betrachten. Dieser Gewohnheit habe ich es mit zu verdanken, daß ich zwar die Narben vieler Wunden an mir trage, aber doch noch am Leben bin.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 163

Wie man die Stapfen eines Nilpferdes imitiert

Jetzt mußten meine Leute warten, und ich ging zu der Falle, um sie und ihre Umgebung nach Spuren zu untersuchen. Es galt, zu entdecken, nach welcher Richtung wir uns zu wenden hatten, um diejenigen zu finden, von denen die Falle errichtet worden war. Das wollte ich ganz allein thun, um Spuren, welche uns verraten konnten, zu vermeiden.

Das war freilich nicht leicht, denn das Ufer war sumpfig, und die Füße sanken ein; aber die dadurch entstehenden Vertiefungen füllten sich sehr rasch mit so dicker, trüber Flüssigkeit, daß die Stapfen mir keine Sorge machen konnten. Um jedoch ganz und gar sicher zu sein, band ich mir Schilf um die Füße, so daß die Löcher, welche ich trat, fast genau den runden, großen Stapfen eines Nilpferdes glichen.

Im Landes des Mahdi III (1896)
F 18, S. 8

Wer beim Fährtenlesen irre wird

Ich stieg ab und hieß auch ihn absteigen, denn er sollte sich im Fährtelesen üben. Was er von und bei mir lernte, konnte ihm später wohl von Nutzen sein. Ich wußte gleich beim ersten Blicke, woran ich war, doch forderte ich ihn auf:

»Sieh dir diese Spuren genau an! Von weichen Tieren können sie eingetreten worden sein?«

»Das – das sind wohl Esel gewesen?« sagte er, mich fragend anblickend.

»Ja, Esel,« nickte ich ihm befriedigt zu. »Und wie viele?«

»Vier oder fünf.«

»Nein, sondern nur drei. Wenn man die Zahl der Tiere wissen will, muß man sein Augenmerk nur auf die Summe der Eindrücke eines bestimmten Beines richten. Wer die Spuren aller Hufe zählt, wird irre. Nehmen wir zum Beispiel den rechten Vorderhuf. Du erkennst den Eindruck an mehreren Zeichen, vor allen Dingen daran, daß er nach außen, also nach rechts, mehr konvex ist als nach innen, nach links. Zieh dann die Verschiedenheit der Eindrücke dieser rechten Vorderhufe zu Rate, so wirst du die Zahl der Tiere haben.«

»Ja, es waren nur drei Esel,« sagte er, nachdem er die Spur von den gegebenen Gesichtspunkten aus noch einmal genau betrachtet hatte.

»Was trugen die Esel? Reiter oder Lasten? Oder ging einer von ihnen vielleicht frei?«

»Woran erkennt man es?«

»An der Tiefe der Eindrücke, an der Regelmäßigkeit des Ganges und aus andern, mehr durch den Zufall gegebenen Zeichen. Je schwerer ein Tier beladen ist, desto tiefer drückt sich sein Fuß in den Sand. Ein Lasttier wird meistenteils vorn leichter als hinten gehen. Ein Reittier hat einen unregelmäßigeren Gang als ein Saumtier, weil es mehr von dem Willen seines Reiters abhängig ist, während das Lasttier ruhig seinen Gang fortgeht. Komm ein Stück auf dieser Fährte weiter, so siehst du, daß jeder der Esel einmal rechts, einmal links, einmal in der Mitte gegangen ist. Das kommt bei Saumtieren nicht oder nur höchst selten vor; sie haben also Reiter getragen. Was für Reiter mögen das gewesen sein?«

»Wie kann ich das wissen! Ich habe sie nicht gesehen, und da sie im Sattel saßen, konnten sie von sich keine Spuren zurücklassen.«

»Und doch ist nichts leichter als das. Auf Eseln reitet hier nur eine ganz bestimmte Art von Leuten.«

»Meinst du, es seien Dschellab gewesen?«

»Ja, da nur ein Dschellabi, ein Händler, sich in dieser Gegend des Esels bedient. Also soviel wissen wir. Wo kamen sie her? Das interessiert uns nicht; aber wohin sie wollen, das möchten wir wissen, da wir sie vor uns haben und sie vielleicht einholen werden.«

»Kannst du auch das aus den Spuren lesen?«

»Nein, wenigstens jetzt noch nicht, da ihre Fährte sich von hier aus mit derjenigen der Takaleh vereinigt hat. Gehen wir weiter!«

Im Lande des Mahdi II (1896)
F 17, S. 427 f.

Wozu die menschlichen Stimmwerkzeuge unfähig sind

Jetzt waren sie nur noch fünf Schritte von meinem Buschwerk entfernt. Ich griff in die schwachen Stämmchen, bewegte sie, als ob ein Tier sich da, wo ich mich befand, vom Boden erhebe, und versuchte, jenes knurrende Pfauchen nachzuahmen, welches ein in seiner Ruhe gestörtes Raubtier hören läßt. Dann rollte ich mit der Zunge in möglichst tiefem Tone, röchelte dazu durch die Nase und stieß darauf einen kurzen, heiseren Schrei aus, bei welchem der Wüstenbewohner, wenn er ihn hört, in den Stoßseufzer ausbricht:

»Der Löwe ist erwacht. Allah beschirme uns vor dem Würger der Herden!«

Ich hatte auf einsamen Ritten aus Langeweile oft versucht, das Gebrüll des Löwen nachzuahmen. Es richtig wiederzugeben, dazu sind die menschlichen Stimmwerkzeuge unfähig, aber eine Aehnlichkeit läßt sich doch erreichen. Das war auch jetzt der Fall.

Im Lande des Mahdi II (1896)
F 17, S. 420 f.

Wie die verschlafene Stimme eines halb aus dem Traume erwachten Geiers klingt

Nun legte ich die beiden Hände mit den innern Flächen zusammen, hielt sie an den Mund und trillerte ein halblautes, aber trotzdem weithin hörbares »Krrraaaaärrr« hinein. Das klang ganz genau so wie die verschlafene Stimme eines halb aus dem Traume erwachten Geiers, das erwähnte Zeichen für den Lieutenant und den alten Onbaschi, mit ihren Leuten herab zu kommen.

Im Lande des Mahdi I (1895)
F 16, S. 580

Der erfolgreichste aller Boxerschläge

Ich war in England und Amerika Zeuge von Kämpfen zwischen Preisboxern gewesen und hatte mich, um auch dies kennen zu lernen, bei einem namhaften Trainer im »Milling« geübt. Darum kannte ich den sogenannten Knock-down-blow¹ jenen erfolgreichsten aller Boxerschläge, welcher mitten auf den Kopf geht und, gut geführt, den Gegner sofort zu Boden streckt. Dabei kommt es freilich vor, daß der Gegner bei Besinnung bleibt. Besser ist der Hieb gegen die Schläfe, welchen ich von dem Indianerhäuptling Winnetou gelernt hatte; nur ist aber die Schläfe eine so empfindliche Stelle, daß man einen Menschen, den man nur betäuben will, leicht erschlagen kann.

¹ Wörtlich: Niederklopf-Hieb.

Im Lande des Mahdi I (1895)
F 16, S. 579

Der fruchtbarste und phantasiereichste Romanschreiber

»Halt!« unterbrach ich ihn, da er sein Gewehr aufnehmen wollte, in befehlendem Tone, indem ich rasch aufsprang und mein bereit liegendes Gewehr auch auf seine Brust richtete. »Zucke ja nicht mit dem kleinsten Gliede! Zwei Kugeln sind dir gewiß! […]«

Man meint, daß solche oder ähnliche Scenen nur in Romanen vorkommen können; das ist sehr richtig, denn – – das Leben ist der fruchtbarste und phantasiereichste Romanschreiber, welcher nicht, um eine unmögliche Situation zu ersinnen, ein dutzend Gänsefedern zerkauen muß. Mein Ton und meine Haltung waren wohl der Art, daß kein Zweifel über die Schnelligkeit unsers Handelns aufkommen konnte; die beiden Flintenläufe wirkten überzeugend; wir brauchten nur den Zeigefinger am Drücker zu krümmen – kurz und gut, das Gewehr des Anführers entglitt seiner Hand und fiel nieder, und die langen Flinten seiner Leute folgten diesem Beispiele.

Im Lande des Mahdi I (1895)
F 16, S. 595 f.

Wie es geht es, wenn man zum Besten fremder Menschen in der Wüste herumkriecht

Diese Stimme kam mir bekannt vor. Wo hatte ich sie gehört? Es fiel mir nicht sofort ein. Ich wußte, daß man den Mann mit Licht empfangen werde, und mußte mich auf das schnellste unsichtbar machen. Ich schlich mich also hinter das erwähnte Zelt, fühlte mich da aber, wenigstens zunächst, gar nicht gut aufgehoben. Zwischen dem Zelte und der nahen Felsenwand gab es nämlich ein dichtes Strauchwerk, und als ich unter dasselbe kroch, bemerkte ich, daß es stachelige Mimosen waren. Aber ich war nun einmal da und mußte, wenn ich sicher sein wollte, immer tiefer hinein. Das war zunächst unangenehm, denn die spitzen Stacheln drangen durch mein Gewand, durch das Gesichtstuch und stachen mich auch in die nackten Hände, aber außerdem auch gefährlich, denn es waren hier Skorpionen zu vermuten. Vielleicht gab es da sogar Assalehs, welche die giftigsten Schlangen der Wüste sind. Der Biß einer solchen wäre unter den gegenwärtigen Verhältnissen für mich absolut tödlich gewesen. So geht es, wenn man zum Besten fremder Menschen in der Wüste und in den Oasen herumkriecht, zumal des Nachts!

Im Lande des Mahdi I (1896)
F 16, S. 484

Wie man heimliche Brunnen anlegt und findet

Auch der Onbaschi war überzeugt, daß es heimliche Brunnen geben müsse, nur meinte er, daß es unmöglich sei, einen solchen zu entdecken.

»Das überlaß mir,« sagte ich. »Falls ich auf einen solchen treffe, werde ich gewiß nicht vorüberreiten.«

»Wie aber willst du bemerken, daß es dort Wasser giebt? Weißt du, wie ein solcher Brunnen beschaffen ist?«

»Ja. Man gräbt den Sand so weit auf, bis man auf das Wasser kommt, legt einige Speerschäfte oder sonstige Hölzer darüber und breitet auf diese ein Fell, eine Matte oder irgend eine Decke. Dann wird der Sand wieder aufgeschüttet und mit der Umgebung ausgeglichen. Die Stelle ist auf diese Weise für das Auge unbemerkbar gemacht.«

»So kannst also auch du sie nicht entdecken.«

»Ich nicht, aber mein Kamel.«

»Dein – – Kamel? Hat das schärfere Augen als du?«

»Nein, aber empfindlichere Geruchsnerven. Du vergissest, daß solche Stellen, bevor man sie zu Brunnen macht, auch schon nur durch die Kamele entdeckt werden. Ein durstiges Reitkamel ist außerordentlich empfindlich für die Feuchtigkeit des verborgenen Wassers; es rennt streckenweit dem betreffenden Orte zu, um mit den Vorderfüßen den Boden aufzuscharren. Aus diesem Grunde habe ich das meinige nicht trinken lassen.«

Im Lande des Mahdi I (1895)
F 16, S. 424 f.

Wie der Prairiejäger im Sattel sitzt

Mein Pferd hatte, sobald es die Straße betrat, mit mir davonstürmen wollen; ich aber hatte es so streng in die Zügel und so fest zwischen die Schenkel genommen, daß es seine Ungeduld bezähmen mußte. Diese meine Bemühung war von den andern nicht bemerkt worden; außerdem saß ich nach der Weise der Prairiejäger im Sattel, nämlich die Beine nach hinten, den Oberkörper zusammengesunken nach vorn gebeugt. Das ergiebt keineswegs einen schönen, ritterlichen Anblick, ist aber für den Reiter bequem und entlastet die Hinterhand, welche dann später, wenn es gilt, um so mehr zu leisten und zu tragen vermag.

Im Lande des Mahdi I (1896)
F 16, S. 225

Wie man einen Salzsee überquert

Die Salzkruste hatte eine schöne, helle, weiß glänzende Farbe; sie war fest und trug ganz gewiß einen Reiter, notabene, wenn derselbe sehr schnell, nicht aber langsam ritt. Das Gewicht von Pferd und Mann durfte nur für Augenblicke auf einer und derselben Stelle ruhen. […]

Meine ganze Aufmerksamkeit war […] in erster [Linie] auf die Farbe des Salzes gerichtet. So lange dieselbe weiß glänzend, krystallinisch schimmernd war, hatte ich wenig oder nichts zu fürchten, viel weniger als ein Fußgänger. Die Schnelligkeit ist’s, welche die Gefahr hinter sich legt, und sinkt ein Fußgänger mit einem Fuße ein, so hat er nur noch einen zweiten Fuß, um sich zu erhalten; sinkt aber der Huf eines Pferdes ein, so besitzt es noch drei Beine, um nicht stecken zu bleiben. Hinter dem Reiter mag die Decke immerhin bersten, wenn sie nur vor ihm noch hält.

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 572 f.

Was das Fährtenlesen voraussetzt

»Da haben Sie eine breite Fährte von vielen Leuten. Wie wollen Sie die Spur des Sendador da herausfinden?«

»Es fällt mir gar nicht ein, dies zu versuchen. Kommen Sie nur weiter. Ich werde Ihnen die Erklärung im Gehen geben. Das Fährtenfinden setzt zweierlei voraus, nämlich ein vorheriges scharfes Nachdenken und zweitens das richtige sogenannte Lesen der Spur.«

»So müssen Sie auch hier vorher nachdenken?«

»Natürlich. Darüber, wo die Fährte zu finden sein wird. Laufe ich ins Blaue hinein, so werde ich wahrscheinlich nichts finden. Wenn ich mir aber das Geschehene, die gegenwärtige Situation, die Absichten des Sendador und noch manches andere vergegenwärtige, so wird das Resultat dieser Ueberlegung mir als sicherer Wegweiser dienen. Ich nehme als ganz bestimmt an, daß er uns beobachtet und diese Gegend nicht eher verlassen hat, als bis er wußte, woran er war. Er hat also so lange gewartet, bis wir mit den Gefangenen von dem Kampfplatze nach dem Dorfe zogen. Um dies sehen zu können, mußte er in der Nähe unsers Wegs liegen, und zwar unter Büschen und Bäumen versteckt, damit er nicht etwa selbst bemerkt werde. Was er während der Nacht gethan und wo er sich befunden hat, das ist mir gleichgültig, da ich mir nicht die große Mühe zu geben brauche, die Spuren seiner sämtlichen nächtlichen Irrgänge zu verfolgen. Bevor wir nach dem Dorfe aufbrachen, ist er nicht im Walde und Gebüsch, sondern draußen auf der freien Ebene gewesen, um zu sehen, wie die Verhältnisse am Lagerplatze stehen. Er hat sich da jedenfalls in liegender Stellung so weit angeschlichen, bis er uns genau beobachten konnte. Als wir dann mit den Mbocovis aufbrachen, hat er sich von dort schleunigst nach dem Walde zurückgeschlichen, um uns vorüberpassieren zu sehen. Die Spur, welche er dabei zurückließ, ist die einzige, welche ich beachten werde.«

»Werden Sie dieselbe finden?«

»Ganz gewiß. Ich gehe direkt auf sie zu.«

»Aber Sie wissen doch nicht, wo sie ist!«

»Das weiß ich sehr genau.«

»Nun, wo?«

»Gerade vor uns. Da draußen rechts von uns befindet sich der Lagerplatz, in dessen Nähe er uns heimlich belauschte; dort links von uns liegt der See mit dem ihn umgebenden Waldstreifen, nach welchem sich der Sendador zurückgezogen hat, folglich geht seine Spur, von uns aus gerechnet, von rechts nach links, also quer über die Richtung, in welcher wir uns jetzt fortbewegen, und also müssen wir, wenn wir geradeaus gehen, unbedingt auf sie treffen, und zwar sehr bald, da er nicht weit von hier gesteckt haben kann, weil er sonst nicht nahe genug gewesen wäre, um uns deutlich sehen zu können.«

»Das ist freilich eine so komplizierte – – ah, sehen Sie! Ist das nicht die Spur eines Mannes?«

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 408 f.

Über den Örtlichkeitsinstinkt

Es ist nicht leicht, in vollständig ebener Gegend im Dunkel des Abends eine bestimmte Stelle zu finden, welche sich durch gar nichts von ihrer Umgebung unterscheidet. Es gab keinen Baum, keinen Busch, kurz kein Gewächs und auch keinen andern Gegenstand, welcher mir als Marke hätte dienen können. Doch wer sich Jahre lang in der Prairie umhergetrieben hat, bei dem hat sich, wenn das Wort erlaubt ist, ein Oertlichkeitsinstinkt entwickelt, der ihn wohl nur selten im Stiche läßt. So auch bei mir. Ich erreichte die betreffende Stelle so genau, als ob es heller Tag sei.

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 366 f.

Was der reiche Sauerstoff macht

Der reiche Sauerstoff macht, wenn man im Freien schläft, daß man viel eher erwacht und sich mehr gestärkt und erquickt fühlt, als wenn man im Zimmer geschlafen hat.

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 314

Die Gewohnheit von Frauen energischen Charakters

»Sie können die Erfahrung machen, daß Frauen, welche die Gewohnheit besitzen, die Arme über die Brust zu kreuzen, meist energischen Charakters und festen Willens sind.«

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 233

Was eine Viertelstunde ruhiger Überlegung bringt

Eine Viertelstunde ruhiger Ueberlegung bringt später Stunden und wohl gar Tage ein, wie ich oft erfahren hatte.

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 55

Wie man Mückenwolken unschädlich macht

Als es dunkel geworden war, landeten wir und machten es uns teils in den beiden Fahrzeugen, teils auch am Ufer so bequem wie möglich. Essen gab es in Hülle und Fülle, da man uns auf das reichlichste versorgt hatte. Ebenso reichlich bescherte uns der Fluß dichte Schwärme von Stechmücken, gegen welche wir uns nur durch große Feuer schützen konnten, in welche wir nasses Schilf warfen. So wurden die Mückenwolken durch die Rauchwolken bekämpft und unschädlich gemacht.

In den Cordilleren (1894)
F 13, S. 20

Wie man eine Tür in eine Kaktushecke schneidet

An der Hecke angekommen, legte ich mich nieder, um zu horchen. Es war kein Mensch da.

Nun begann die Hauptarbeit, das Schneiden einer Thüre in den Kaktus. Wer das für ein Leichtes hält, der irrt sich gar sehr. Erstens durfte ich nicht etwa ein Loch schneiden, denn es wäre sehr leicht möglich gewesen, daß jemand vorüberkam, der dasselbe bemerkte, noch bevor wir es hatten benutzen können. Nein, es mußte eine Thüre geschnitten werden, welche bis zum Augenblicke der Flucht nicht geöffnet werden durfte. Das macht man folgendermaßen:

Der Kaktus bildet eine mehr oder weniger hohe und dicke, stets aber fest verwachsene Wand. In diese Wand schneidet man nun, aber durch und durch, eine ganz schmale, vielleicht nur zwei oder drei Finger breite Lücke von oben nach unten. Dann schneidet man von dieser Lücke aus eine mehr als doppelt so breite wagerecht unten in der Nähe des Bodens hin. Dadurch entsteht im Zaune ein Doppellinienschnitt, welcher einen rechten Winkel bildet. So ist nun die Thüre fertig.

Sie ist links und unten von der Hecke getrennt und hängt rechts noch vollständig mit derselben zusammen. Die einzelnen Teile, Stauden, Stängel, Zweige und Blätter greifen vermöge ihrer Stacheln noch fest ineinander. Die Thüre bildet also eine feste Fläche. Da nun der Zaun nicht dürr, sondern saftig, lebend ist, so läßt sich diese Thüre wie in einer Angel bewegen.

Aber wie unendlich schwierig ist es, die beiden Schnitte zu machen! Man muß ein ausgezeichnetes Messer haben, und glücklicherweise war mein Bowiekneif ein solches, und trotzdem kommt man nicht durch, wenn der Kaktus trocken ist. In diesem Falle entsteht auch zu starkes Geräusch, durch welches man verraten wird. Darum sucht man sich möglichst saftige und zugleich dünne Stellen des Kaktus aus. Dann ist es notwendig, sich vor den Stacheln zu schützen, deren jeder, wenn er sich in das Fleisch sticht und dort abbricht, eine langsam schwärende, sehr schmerzhafte Wunde verursacht.

Hier ist nun ein lederner Jagdrock von außerordentlichem Vorteile. Man knüpft ihn zu, zieht den Kragen hoch, stülpt den Hut tief herein und zieht die Aermel weit vor über die Hände. So legt man sich zur Erde nieder, schiebt sich an die Stacheln von unten heran, sie mit dem Rücken hebend und zerdrückend und dabei mit dem Messer weiter arbeitend. Und das muß geräuschlos geschehen, damit man nicht entdeckt wird! Aber Uebung und Vorsicht macht auch hier den Meister. Freilich darf man eine solche Thüre nicht mit den Händen öffnen, welche man sogleich voller Stacheln haben würde. Man muß das Gewehr oder sonst einen harten Gegenstand dazu nehmen.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 612–614

Wozu eine feste Gesundheit gehört

In dem scharfen Winde trockneten unsere Anzüge außerordentlich schnell. Unterhalb des Gürtels hatte das Wasser bei mir aber nicht eindringen können; doch gehörte eine feste Gesundheit dazu, ohne Erkältung davonzukommen.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 553

Wie man nach Westmannsart mit dem Gewehr schießt

Ich warf nach Westmannsart das Gewehr an die Wange und drückte zweimal ab, scheinbar ohne genau gezielt zu haben, aber eben nur scheinbar. Der Prairiejäger drückt noch, bevor er das Gewehr aufnimmt, das linke Auge zu, um das Ziel zu visieren. Durch lange Uebung hat er die Geschicklichkeit erlangt, den Lauf sofort in die Sehachse zu bringen, ohne lange probieren zu müssen. In demselben Augenblicke, in welchem das Gewehr seine Wange berührt, liegt auch schon das Korn in der Kimme, und der Schuß kann abgegeben werden. Die ganze Kunst liegt eben nur darin, den Lauf sofort in die Sehachse zu werfen. Das erspart das lange Suchen und Visieren, durch welches der linke Arm ermüdet und wohl gar ins Zittern kommt. Der angehende Westmann steht stundenlang, um sich mit dem ungeladenene Gewehr einzuüben. Er wirft, indem er das linke Auge geschlossen und das rechte scharf auf das Ziel gerichtet hält, das Gewehr mit schnellem Rucke auf und nieder, bis er die Fertigkeit erlangt, den Lauf sofort auf das Ziel und das Korn in die Kimme zu bringen. Viele bringen es nie zu dieser Gewandtheit und sind dann schlechte Jäger, da oft das Leben davon abhängt, der erste am Schusse zu sein.

Für andere freilich erscheint es unbegreiflich, daß jemand, ohne langsam anzulegen und scheinbar ohne sorgfältig zu zielen, das Gewehr geradezu emporwirft, augenblicklich abdrückt und – einen Nagel durch das Schwarze treibt. Die Schnelligkeit, mit welcher das geschieht, ist verblüffend, aber eben weiter nichts als das erklärliche Resultat einer langen und unermüdeten Uebung.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 540 f.

Was nicht jedermans Sache ist

»Es ist freilich nicht jedermanns Sache, geistesgegenwärtig zu sein!«

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, 443 f.

Wie man sich lang an die Seite des Pferdes legt

»Vielleicht wird es notwendig, dies zu beweisen. Können Sie sich während des Rittes lang an die Seite des Pferdes legen?«

»Lang an die Seite des Pferdes legen? Wie meinen Sie das? Wie macht man das? Ich habe es noch nie gesehen.«

»Die Indianer Nordamerikas bringen dieses Kunststück sehr oft in Anwendung. Wenn man den Körper lang an denjenigen des Pferdes legt, kann man von der entgegengesetzten Seite weder gesehen noch von einer Kugel getroffen werden.«

»Da fällt man ja herab!«

»O nein. Ich habe zu diesem Zwecke zwei Lassos bestellt. Wir schlingen sie um die Hälse der Pferde. Das ist die ganze Vorkehrung, deren wir bedürfen. Gesetzt den Fall, wir haben zu unserer rechten Hand einen Feind, welcher uns nicht sehen soll, so müssen wir uns an der linken Seite des Pferdes verbergen. Zu diesem Zwecke rutschen wir langsam nach links aus dem Sattel, lassen aber den rechten Fuß im Steigbügel und ziehen ihn mit demselben hinter dem Sattel über die Kruppe des Pferdes. Wir hängen also mit dem Fuße im Bügel. Mit dem Arme fahren wir in den Lasso, welcher um den Hals des Pferdes geschlungen ist. In dieser Weise liegen wir links lang am Pferde und können unter dem Halse desselben hinweg nach rechts schauen und sogar nach dieser Richtung schießen.«

»Das geht ja nicht. Wie kann ich mich mit der großen Zehe im Bügel halten?«

»Ihre Steigbügel sind eben sehr unpraktisch. Glücklicherweise hängen sie im doppelten Riemen, zwischen welchen Sie den Fuß stecken können. Auf diese Weise ist der Feind zu täuschen. Befindet er sich so weit entfernt, daß er den Sattel nicht zu unterscheiden vermag, so hält er das Pferd für ein lediges, weidendes Tier.«

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 306 f.

Warum man gezwungen ist, stets neue Listen zu entdecken

»Nein. Ich würde das Geräusch eines geworfenen Sandkornes von demjenigen eines Menschenschrittes sofort unterscheiden. Uebrigens wirkt jede List dadurch, daß nur der sie kennt, welcher sie ausübt. Darum ist man im Leben der Wildnis gezwungen, stets neue Listen zu entdecken.«

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 286

Wie man einer Lassoschlinge entgeht

Einer Lassoschlinge kann man entgehen, indem man das Gewehr wagerecht emporhält, so daß sich die Schlinge nicht über den Kopf herabsenken kann, oder indem man das Messer bereit hält, um den Riemen, sobald er trifft, zu zerschneiden.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 242 f.

Was wirkungsvoller sein kann als eine Armstrongrevolverkanone

Ich begann zu ahnen, daß es zum Kampfe kommen werde. Ueber fünfzig Mann gegen nur zwei? War es nicht Wahnsinn oder Lächerlichkeit, da an Kampf zu denken? Nun, man sieht eben, wie es geht. Ein wenig List ist unter Umständen von besserer Wirkung, als eine Armstrongrevolverkanone.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 206

Der Anzug eines nordamerikanischen Westmannes

»Aber bitte tausendmal um Verzeihung, werter Sennor! Ich wiederhole, daß ich ganz und gar nicht die Absicht hegte, mich über Sie lustig zu machen. Sie kommen mir so außerordentlich fremdartig vor, daß es mir für den Augenblick unmöglich war, an mich zu halten. Nehmen Sie das ja nicht übel, und haben Sie lieber die Güte, mir zu erklären, in welcher Weise diese lederne Kleidung für unsre Reise geeignet sein soll!«

«Das ist ganz genau der Anzug eines nordamerikanischen Westmannes.«

»So mag ein solcher Lederanzug wohl für Nordamerika passen, aber für den Süden doch unmöglich.«

»Sie scheinen anzunehmen, daß es im Norden nur kalt und im Süden nur warm ist. Am Aequator ist die größte Hitze; je weiter man sich von demselben nach Norden oder Süden entfernt, desto mehr nimmt die Wärme ab. Wir befinden uns gegenwärtig fünfunddreißig Grad südlich des Aequators. Ebenso viele Grade nördlich desselben haben wir im allgemeinen dasselbe Klima zu suchen. Ich habe mich aber noch weit südlicher befunden und dabei doch die lederne Kleidung getragen.«

»Das ist mir zu gelehrt.«

»So will ich populärer sein. Sie haben im allgemeinen hier warme Tage und kalte Nächte. Das Leder aber ist ein schlechterer Wärmeleiter als das Zeug, aus welchem Ihre Kleidung besteht. Infolgedessen werde ich am Tage weniger schwitzen und des Nachts weniger frieren als Sie. Während Sie sich des Nachts in mehrere Ponchos hüllen, schlafe ich in dieser Kleidung im Freien, ohne daß die Kühle mich aus dem Schlafe weckt.«

»Dann wäre sie freilich praktisch!«

»Sie haben hier oft starke Regengüsse. Durch dieses indianisch zubereitete Leder dringt der Regen nicht, während er bei Ihnen sofort bis auf die Haut geht. Mir können die Stachelgewächse des Urwaldes nichts anhaben, während Ihnen die Kleidung durch die Dornen in Fetzen gerissen wird. Und sehen Sie, wie eng meine Kleidung am Halse schließt! Kein Moskito vermag es, bis auf meine Haut zu dringen. Wie aber steht es bei Ihnen?«

»O, Sennor,« seufzte er, »wenn ich mich vier oder fünf Tage bei der Arbeit befinde, so ist mein ganzer Körper ein einziger Moskitostich!«

»So wird es Ihnen sehr leicht sein, einzusehen, daß Sie über etwas gelacht haben, um was Sie mich beneiden sollten.«

»Ja, aber Sie können sich doch gar nicht bewegen! Sie sehen aus wie ein Taucher in seiner Rüstung. Diese schrecklichen Stiefel!«

Er betastete die genannte Fußbekleidung, deren Aufschlageschäfte mir allerdings sogar die Oberschenkel bedeckten.

»Sie sind nicht schrecklich, sondern außerordentlich praktisch. Durch diese Stiefel dringt kein Giftzahn einer Schlange und auch kein Wassertropfen. Ich reite bis zur Sattelhöhe im Flusse, ohne naß zu werden.«

»Und diese Hose mit den eigentümlichen Fransen!«

»Das sind indianische Leggins, aus der Haut einer Elenkuh gefertigt, fast unzerreißbar zu nennen.«

»Und dieses Kleidungsstück?«

»Ist ein indianisches Jagdhemde aus dem Felle eines Büffelkalbes. Es ist so dünn und leicht wie ein Leinwandhemde, reißt nicht und kann gewaschen werden. Und das Oberkleid ist ein indianischer Jagdrock aus Wapitifell, dessen Zubereitung über ein Jahr erfordert hat. So dünn das Leder ist, es dringt kein Pfeil hindurch, der nicht ganz aus der Nähe abgeschossen ist.«

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 111–113

Was ein wirklicher Raucher will

Anstatt des Sofas gab es eine Hängematte, welche an zwei Mauerringen hing. Auf dem Tische lag ein Carton mit Cigaretten. Das war eine dankenswerte Aufmerksamkeit des Wirtes gegen mich. Freilich rührte ich die kleinen Dinger nicht an. Ein wirklicher Raucher, wenn er nicht Südamerikaner ist, mag von Cigaretten nichts wissen. Er will Tabak haben, aber nicht Papier.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 163 f.

Was ein Ende nehmen muss

»[…] Diese Geschichte muß ein Ende nehmen. Ich habe das ewige Anschleichen satt!«

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 555

Wie der Westmann den Grizzly nennt

Wir waren natürlich alle auch schnell von den Pferden herunter, um die Spur anzusprechen. Winnetou wies die Gefährten mit den Worten zurück:

»Meine Brüder mögen stehen bleiben, um die Fährte nicht zu verderben! Nur Old Shatterhand mag her zu mir kommen!«

Ich ging hin. Es hatten die scharfen Augen des Apatschen dazu gehört, sie zu entdecken. Wir beide folgten ihr über den Spring hinüber, wo sie deutlicher wurde. Es mußte ein alter, sehr starker »Vater Ephraim« sein, von dem sie stammte. – Der Westmann nennt den Grizzly nämlich »Vater Ephraim«.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 376 f.

Was im wilden Westen jedermann weiß

Dieses erste Entsetzen benutzend, rief ich ihnen zu:

»Hands up, oder wir schießen! All hands up!«

»Hands up, die Hände in die Höhe!« ist ein sehr gefährlicher Befehl, zumal im wilden Westen. Wer diese Worte hört und nicht augenblicklich beide Hände hoch hält, bekommt die Kugel; das weiß jedermann. Es kommt vor, daß nur zwei oder drei verwegene Menschen einen Bahnzug überfallen. Wehe dem Passagier, welcher auf den Ruf »Hands up!« nicht unverweilt die Arme hebt! Er wird sofort erschossen. Während einer der Räuber auf diese Weise mit seinem Revolver alle Reisenden in Schach hält, werden diese von dem oder den andern ausgeplündert und müssen mit hochgehobenen Händen stehen bleiben, bis die Taschen auch des letzten untersucht und geleert worden sind. Dieses »Hands up!« trägt allein die Schuld daran, daß viele, wenn sie überrascht worden sind, gegen wenige gar nichts machen können. Selbst der sonst mutige Mann wird lieber die Arme heben als nach seiner Waffe greifen, denn ehe er sie erlangen kann, hat er die tödliche Kugel im Kopfe. Das weiß, wie gesagt, dort jedermann.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 284 f.

Was man im Wilden Westen stets wissen muss

Kurz nach Mittag entdeckten wir eine Fährte von gegen zwanzig Reitern, welche aus Nordost herüberkam und auch nach dem Rush-Creek zu gehen schien. Die Spuren zeigten, daß die Pferde beschlagen gewesen waren; dieser Umstand und die schlechte und oft unterbrochene Ordnung, welche die Männer eingehalten hatten, ließen vermuten, daß sie Weiße waren. Wir wären dieser Fährte gefolgt, auch wenn sie nicht so genau in unsere Richtung geführt hätte. Man muß im wilden Westen stets wissen, was für Menschen man vor sich hat.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 176

Welche Zeit im Prairieleben stets die kritische ist

Hierauf aßen wir, und dann verteilte ich die Wachen, und zwar so, daß ich bis nach Mitternacht schlafen konnte. Die Zeit zwischen da und dem Morgen ist im Prairieleben stets die kritische; da wollte ich munter sein, weil ich mir mehr traute als den Kameraden.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 36

Wie der Kriegsruf der Apachen klingt

Nun wollten sie sich nach rückwärts wenden, da aber erscholl weithin und über das ganze Lager und in die Wüste hinaus der Kriegsruf der Apatschen. Er klingt wie ein mit der höchsten Kopfstimme ausgestoßenes, langgezogenes Hiiiiiiiiii, bei welchem man mit der Hand auf den Mund tremuliert.

Old Surehand I (1894)
F 14, S. 473

Warum ein guter Taucher auch an dunklen Abenden unter Wasser sehen kann

Nach diesen Worten tauchte er schnell unter. Also ein Kampf auf Leben und Tod, des Nachts auf dem Wasser! Der Häuptling wollte bei mir auftauchen und nach mir stechen; dies abzuwarten, fiel mir gar nicht ein. Ich tauchte ebenso unter, doch tiefer als voraussichtlich er. Das Wasser hält, grad wie der Diamant, das tagesüber eingesogene Licht noch lange fest; darum kann ein guter Taucher an dunklen Abenden unter Wasser wenigstens ebenso gut oder gar noch besser sehen als über demselben. In einer Tiefe von vielleicht fünf Metern schwebend, sah ich empor. Ja, da war der Häuptling, seitwärts über mir! Er streckte die Hände aus zum Schlage, der ihn an die Oberfläche treiben sollte. Ich that diesen Schlag zugleich mit ihm und kam hinter ihm über Wasser. Er bekam meinen ›Jagdhieb‹ an den Kopf, und dann faßte ich ihn beim Schopfe, um zu verhüten, daß er unterging.

Old Surehand I (1894)
F 14, S. 143

Wovon man absieht

Ich sehe davon ab, diese Mumien und Skelette zu beschreiben. Ich liebe es nicht, als Schriftsteller zu gelten, der seine Erfolge im Sensationellen, Blutigen oder Schaudererweckenden sucht.

Winnetou IV (1910)
F 33, S. 356

Wie man im Dunkeln die Tiefe eines Baches bestimmt

Vor ihnen floß das Wasser, jenseits dessen sich die Mauer dunkel emporhob. Aber wie breit der Bach eigentlich war, ließ sich doch nicht ganz deutlich erkennen. Der Lord meinte:

»Hätte ich meinen Regenschirm mit, dann könnte ich die Breite und auch die Tiefe messen. Will einmal genauer nachsehen.«

Er trat ganz nahe an das Wasser und kauerte sich da nieder. Dann streckte er den Oberkörper so weit vor, als thunlich war, und gab sich Mühe, das jenseitige Ufer zu sehen.

»Nun?« fragte Normann.

»Tief ist’s« berichtete der Lord.

»Woraus schließen Sie das?«

»Ich halte die Hand in das Wasser und fühle, daß es sehr ruhig und ohne Wellenschlag fließt. Da muß es tief sein.«

Deutsche Herzen, deutsche Helden (1885–1888)
KMW II.20, S. 127 f. (Lfg. 4, 9. Januar 1886, S. 89 f.)

Wo es ein kerniges Bier gibt

»So seid Ihr allbereits bekannt. Zeigt mir doch gleich mal, wo ein Bier zu finden ist, aber nicht so ein wässeriges österreichisches, sondern ein kerniges aus dem lieben Bayernlandl daheim. Mir ists, seit ich daheim fortbin, als ob ich lauter Hausschwamm im Magen hätt. Das echte Bierl hat mir fehlt.«

Der Weg zum Glück (1886–1888)
Lfg. 97, 2. Juni 1888, S. 2322

Wie man sich aus einer Schlinge befreit

Ich hätte mich wehren können, doch voraussichtlich ohne allen Erfolg; darum verzichtete ich auf Widerstand und ließ mit mir machen, was sie wollten. Ich mußte mich niedersetzen. Sie richteten mir die Kniee bis an die Brust empor und befestigten sie dort mit Hilfe eines um den Hals geführten Strickes, der meinen Kopf bis ganz zu ihnen niederzog; die beiden Enden dieses Strickes wurden mir unten mehreremal um die Fußgelenke geschlungen und dort fest verknüpft. Sodann legten sie mir die Arme um die Kniee und banden sie mir, wie sie meinten, so fest zusammen, daß ein Öffnen der Knoten vollständig ausgeschlossen zu sein schien und mein Körper nun die Haltung einnahm, welche man mit dem Ausdrucke »in den Bock gespannt« bezeichnet.

Ich habe mich mit Absicht der Worte »wie sie meinten« bedient, denn sie hatten, allerdings ohne es zu bemerken, ihre Absicht nicht oder doch wenigstens nicht ganz erreicht. Während sie mir die Vorderarme zusammenbanden, hatte ich die Handgelenke nicht breit, sondern hoch aufeinander gelegt und dabei die Ellbogen so weit wie möglich niedergedrückt; zog ich die letzeren dann empor und drehte dabei die Gelenke, so mußte die Schlinge schlaff werden und es gelang mir vielleicht, aus ihr herauszukommen. […]

Jetzt machte ich den oben erwähnten Versuch mit dem um meine Handgelenke geschlungenen Stricke; ich bekam Zwischenraum, wenn auch nicht soviel, daß es mir möglich gewesen wäre, die eine Hand herauszuziehen; aber ich konnte sie doch wenigstens drehen und bekam dadurch den Knoten in die Finger. Es galt, ihn aufzuknüpfen, worüber ich wohl eine Viertelstunde zubrachte. […]

Inzwischen war es mir gelungen, die Knoten zu öffnen und die Hände frei zu bekommen; den Strick vom Hals, den Knieen und den Füßen zu lösen, war nun nur eine Kleinigkeit; dann stand ich auf und reckte und streckte mit unendlichem Behagen meine Glieder. jetzt war ich gerettet; denn nun mochte der Säfir kommen mit allen, allen seinen Leuten; ich hatte keine Angst vor ihnen!

Im Reiche des silbernen Löwen II (1898)
F 27, S. 250, 252, 258 f.

Was verkannte Genies immer haben

Ich hatte im Ärger wirklich den Arm erhoben. Da fuhr er erschrocken zurück und retirierte hinter einen Wagen, wo der liebe Juriskonsulto sich zu ihm gesellte und sie sich dann wahrscheinlich gegenseitig ihre Not klagten. Verkannte Genies haben ja immer zu klagen.

Satan und Ischariot I (1896)
F 20, S. 516

Wie man eine Faust öffnet

»Sieh hier meine Faust! Ich öffne sie nicht; also kannst du ihn nicht bekommen, außer du schneidest mir die Hand ab!«

»Das ist nicht notwendig; es genügt ein einziger Druck. Paß auf, wie man das macht! Ich mache dir diese Hand mit ebenso großer Leichtigkeit auf, wie ich dir schon die andere blutig gezeichnet habe.«

Ich faßte mit meiner Linken sein Handgelenk, legte den Daumen der Rechten auf seinen innern und den gebogenen Zeigefinger auf den äußern Mittelhandknochen und drückte die Knöchel so zusammen, daß er einen Schrei ausstieß und die Hand öffnen mußte. Ein schneller Griff nach dem Ringe, ein schraubendes Drehen desselben von dem Finger herab, und ich hatte ihn in der Hand.

Im Reiche des silbernen Löwen II (1898)
F 27, S. 346

Der sechste Sinn des Westmannes

»Auf jeden Fall. Sie werden dabei zwar die größte Vorsicht anwenden und uns erst heimlich beobachten, dann aber, wenn sie bemerken, daß wir nur zwei Personen sind, sich unbesorgt uns zeigen. Nach ihrem Verhalten werden wir dann das unsrige richten. Jetzt wollen wir nicht mehr von ihnen, sondern von etwas Gleichgültigem sprechen, denn es ist möglich, daß sie schon in unserer Nähe sind. Wenn ich sie bemerke, werde ich dir ein Zeichen dadurch geben, daß ich meine Hände zusammenlege.«

»Wenn wir sprechen, kannst du doch nichts hören!«

»Ja, du würdest sicherlich nichts hören, denn du mußt erst wieder in Uebung kommen; mir aber kann trotz unseres Gespräches kein von ihnen verursachtes Geräusch entgehen; das werde ich dir beweisen.«

Wir setzten uns beim Feuer nieder, ich mit dem Rücken gegen das Gebüsch, Halef mir gegenüber.

Es war so, wie ich sagte: es dauerte nicht lange, so konnte ich ihm das Zeichen geben; ich wußte, daß sich hinter mir jemand im Gebüsch befand. Ich hatte weder etwas gesehen noch gehört; es war jenes eigenartige Gefühl, jener undefinierbare sechste Sinn, der sich beim Westmanne nach und nach zu einer Schärfe entwickelt, welche derjenigen des Auges und des Ohres vollständig gleichkommt. Es ist mehr ein Ahnen als ein Empfinden, und doch wieder ist es eine Art von Gefühl, denn es war, als ob von dem hinter mir stehenden Perser ein Fluidum auf mich überginge, ähnlich dem Atomenstrome, welcher einen riechenden Gegenstand mit den Geruchsorganen des Menschen verbindet.

Im Reiche des silbernen Löwen I (1898)
F 26, S. 414 f.

Was die Hand verrät

Ein gefährlicher Mensch, rücksichtslos und feig, so dachte ich, und als mir auch noch seine langen, knochigen, krallenhaften Hände in die Augen fielen, deren Zeigefinger fast über den Mittelfinger hinausragten, da war ich fest überzeugt, daß ich mit diesem Urteile das Richtige getroffen hatte. Das Gesicht, die Stimme, der Gang, die Haltung, das Benehmen eines Menschen kann und können täuschen, die Hand aber kann es nie. Ich habe mir da, gestützt auf lange Erfahrung und tausend sorgfältige Vergleiche, eine eigene Theorie gebildet, die mich niemals im Stiche läßt, auf die ich mich in jedem einzelnen Fall verlassen kann. Die Hand eines Menschen ist das genaueste Abbild seines Innern; es ist ihr unmöglich, auch nur das geringste von seinem Denken und Fühlen zu verheimlichen. Sie ist das Werkzeug des Geistes und der Seele, und jedes Werk zeug läßt ohne Irrtum auf den Meister schließen.

Im Reiche des silbernen Löwen I (1898)
F 26, S. 404 f.

Wie man keine sichtbaren Fußeindrücke hinterlässt

Zunächst und vor allen Dingen mußte ich darauf bedacht sein, keine sichtbaren Fußeindrücke zu hinterlassen. Bis zum Walde hin brauchte ich mir in dieser Beziehung keine große Mühe zu geben, denn ich suchte die kahlen, graslosen Stellen auf, welche es da gab; sie waren von der Sonne hartgebrannt, so fest wie Stein, und nahmen keine Spur auf. Uebrigens stand fast mit Sicherheit zu erwarten, daß die Indianer nicht nach dieser Seite kommen würden.

Aber dann im Walde wurde die Sache schwieriger. Der Boden war weich, und ich sah mich gezwungen, auf allen Vieren zu gehen, das heißt aber nicht auf den Händen und Füßen, sondern auf den Finger- und Zehenspitzen. Was das heißt und wie außerordentlich anstrengend das ist, das weiß freilich bloß Der, der es ausgeführt hat. Ich kenne keine körperliche Anstrengung, welche soviel Kraft und Ausdauer erfordert, wie dieses Gehen auf den Zehen und Fingern. Dazu kam, daß ich diese Bewegung rückwärts machen mußte, weil es nötig war, die Eindrücke, welche ich doch nicht vermeiden konnte, sogleich wieder auszulöschen. Ich ging also mit den Fußspitzen voran und mit den Fingern hinterdrein, trat mit den letzteren stets genau in die Spur der ersteren und wischte nach jedem Schritte diese Spur mit der Hand wieder aus. Es ist selbstverständlich, daß diese Fortbewegung darum eine höchst langsame war.

Im Reiche des silbernen Löwen I (1898)
F 26, S. [100] f.

Wie man im Wasser nicht gesehen wird

»Das ist gut; das ist sehr gut, denn das wird uns von großem Nutzen sein. Wir bauen uns Inseln, unter denen wir uns verstecken, sodaß wir nicht gesehen werden können. […] Es ist so einfach wie nur möglich. Jedes Kind kann es machen. Man bindet Schilf und anderes Zeug, welches gern auf dem Wasser schwimmt, zusammen, sodaß es die Gestalt einer kleinen Insel annimmt, welche vom fließenden Wasser abwärts getragen wird. In der Mitte der Insel fertigt man eine Erhöhung, welche hohl sein und mehrere Löcher nach allen Seiten haben muß. Kriecht man nun unter die Insel und steckt den Kopf in die Höhlung, welche über dem Wasser liegt, so hat man Luft und kann nicht nur Atem holen, sondern sich auch nach allen Seiten umschauen, weil man durch die Löcher zu blicken vermag. Man sieht also alles und hört auch alles, ohne daß man selbst gesehen wird, weil man im Wasser steckt.«

[…]

»Die Inseln sollen schwimmen; da muß man doch wohl mitschwimmen?«

»Wenn das Wasser tief ist, schwimmen; ist es seicht, dann waten. In dem letzteren Falle muß man sich bald ausstrecken, bald den Körper zusammenziehen, je nach der Verschiedenheit der Wassertiefe. Indem ersteren Falle ist es geraten, in aufrechter Stellung zu schwimmen, was man ›Wassertreten‹ nennt. Man hält den Kopf oben, die Füße unten, zieht die Kniee ein wenig empor und tritt abwechselnd mit den Füßen nach unten, während man mit den ausgestreckten Händen breit im Wasser ›paddelt‹, aber ja nicht auf der Oberfläche, weil das gesehen würde. Es darf auf keinen Fall auch nur der leichteste Wellenschlag verursacht werden, weil dieser einem aufmerksamen und nachdenkenden Zuschauer alles verraten würde. […] Es muß auch noch anderes beobachtet werden, vorausgesetzt nämlich, daß man scharfe Beobachter hat. Man bewegt sich vorwärts, und man bleibt an Stellen, wo man beobachten will, halten. Da darf man sich weder schneller noch langsamer bewegen als das Wasser und sonstige Gegenstände, welche neben und mit der Insel schwimmen. Am allerwenigsten natürlich darf es einem einfallen, stromaufwärts zu schwimmen. Man muß die Strömung beachten. Mitten in und auf derselben darf man ja nicht anhalten, weil dies gegen die Naturgesetze wäre. An Punkten, wo Wirbel sind, muß man sich auch drehen, und legt man am Ufer an, um zu lauschen, so muß dies an einer dazu geeigneten Stelle geschehen, wo ruhiges Wasser ist und es einen Landvorsprung gibt, welcher die Insel angehalten zu haben scheint.«

»Hm! Es ist doch schwerer, als ich dachte, Sir!«

Satan und Ischariot III (1897)
F 22, S. 391–393

Warum man beim Anschleichen die Augen schließen muss

Glücklicherweise war es bei uns noch dunkler, als draußen bei ihnen. Wir erhoben uns auf die Kniee und rutschten auf sie zu. Dabei schlossen wir die Augen soweit, daß wir eben nur noch unter den Lidern hervorblicken konnten, denn ein offenes Auge ist selbst in solcher Finsternis, wenn es durch eine seelische Erregung erleuchtet wird, zu erkennen.

Satan und Ischariot III (1897)
F 22, S. 124

Wie man unter Wasser Atem holt

»Drüben brennt das Feuer; da ist es heller,« warf er ein.

»Aber am Ufer nicht, welches ringsum mit Büschen bestanden ist. Kennst du die Pflanze, welche ihr Sika nennt?«

»Ja; sie steht hier in Menge am Ufer und zwischen den Büschen.«

»Ihr Schaft oder Stengel ist hohl; das giebt eine schöne Röhre; merke es dir!«

Er sah mich fragend an; er hatte mich nicht verstanden.

»Eine schöne Röhre zum Atemholen,« erklärte ich ihm. »Ich wurde einst von Komantschen verfolgt und flüchtete in den Fluß. Da stand ich, während sie die Ufer absuchten, lange, lange Zeit unter dem Wasser und holte durch eine Sikaröhre Atem. Aber husten darf man nicht. Wenn du dich unter dem Wasser fest an das Ufer schmiegst und durch einen Sikastengel Atem holst, kannst du ruhig warten, bis er kommt. Du hast doch gelernt, die Augen im Wasser offen zu haben?«

Satan und Ischariot II (1897)
F 21, S. 171 f.

Das ist der Knieschuß!

Es war kein Zweifel, er wollte schießen, und zwar galt es einen Knieschuß, den schwersten, den es giebt; ich habe ihn schon oft beschrieben. […]

Der Knieschuß wird nur in ganz bestimmten Fällen angewendet. Man entdeckt einen Feind, von welchem man aus einem Verstecke heraus beobachtet wird; man muß, um sich selbst zu retten, ihn töten. Nimmt man das Gewehr hoch, um zu zielen, so sieht er das, ist gewarnt und verschwindet. Um dies zu vermeiden, wird der Knieschuß gewählt, so genannt, weil dabei das Knie den Zielpunkt angiebt. Man zieht nämlich den Unterschenkel so weit an sich, bis der Oberschenkel genau so liegt, daß seine Verlängerungslinie über das Knie hinaus die Stelle berühren würde, welche man treffen will. Dann greift man zum Gewehre, was nicht auffallen kann, weil jeder gute und erfahrene Westmann es stets neben sich liegen hat. Jeden Anschein vermeidend, als ob man schießen wolle, spannt man mit dem rechten Daumen den Hahn, legt den Zeigefinger an den Drücker und hebt, natürlich immer nur mit der einen, rechten Hand, den Lauf empor und legt ihn fest an den Oberschenkel, genau in die beschriebene Richtungslinie. Der Lauscher darf, obgleich die Mündung nun auf ihn gerichtet ist, auch jetzt noch nicht ahnen, daß man auf ihn schießen will; er muß durch Finten getäuscht werden: Man senkt die Augenlider, so daß er nicht merkt, wohin man sieht; das Zielen ist dabei freilich schwer, weil es nicht mit offenem Blicke, sondern durch die Wimperhaare hindurch geschieht, und weil man das andere Auge nicht schließen darf, um keinen Verdacht zu erwecken; man gestikuliert mit dem rechten Arme; man dreht den Kopf hin und her; man unterhält sich lebhaft mit den Kameraden; kurz, man thut alles, um bei dem Lauscher die Erkenntnis zu vermeiden, daß man ihn entdeckt habe und auf ihn schießen wolle. Hat nun der Lauf die richtige Lage, so drückt man los.

Das ist der Knieschuß! […] Es ist, wie gesagt, der schwerste Schuß, den es giebt. Wenn tausend Meisterschützen sich im Knieschusse üben, so kann es vorkommen, daß nicht ein einziger von ihnen es soweit bringt, daß er, besonders des Abends, seines Zieles sicher ist. Man muß jahrelang unausgesetzt üben, und doch thut es diese Uebung, diese Ausdauer nicht allein, man muß auch dazu geboren sein. Ich habe den Knieschuß von Winnetou gelernt und außer uns beiden kaum zwei oder drei gekannt, denen von ihm eine gute Censur gegeben wurde. Auch sie schossen zuweilen fehl; er aber, der unübertreffliche Meister in allen Waffen des wilden Westens, hat niemals, selbst in der stockdunkelsten Nacht, einen Fehlknieschuß gethan. Ich habe überhaupt nicht ein einziges Mal erlebt, daß eine seiner Kugeln am Ziele vorübergegangen ist.

Old Surehand III (1896)
F 19, S. 326–328

Wie man echt amerikanisch reist

Am andern Morgen war ich sehr zeitig wach, und lange vor der Zeit, in welcher der Yerbatero kommen wollte, hatte ich meine kleinen Angelegenheiten in Ordnung gebracht. Dazu bedurfte es keiner großen Mühe und Arbeit. Ich war echt amerikanisch gereist. Ein kleiner Koffer hatte all mein Eigentum enthalten, und diesen Inhalt trug ich jetzt auf dem Leibe. Den leeren Koffer hatte ich dem Kellner und den gestern getragenen Anzug dem Hausknecht geschenkt. Einige Hemden, Taschentücher und sonstige Notwendigkeiten lagen in Leder geschnallt auf dem Tische. Ich war zur Abreise bereit.

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 103

Warum der Westläufer keine freie Stunde hat

Winnetou, der größte Meister im Lanzenwerfen und Lanzenfechten, hatte sich auch da so lange mit mir abgequält, bis wenigstens etwas sitzen geblieben war. Bei einem Westläufer giebt es eben keine freie Stunde; hat er nichts anderes zu thun, so übt er sich. Daher die staunenswerte Fertigkeit und Sicherheit, die man an solchen Leuten zu bewundern hat. Wer da nur zuschaut, hat keine Ahnung von der Mühe und Arbeit, welche dazu erforderlich war.

Satan und Ischariot II (1897)
F 21, S. 170

Wie man einen Fingerzeig zurücklässt

Ob sie den Weg kannten, wußten wir nicht, konnten uns aber auf ihre Findigkeit verlassen; dennoch aber, und damit sie sich nicht mit unnötigem Suchen aufzuhalten brauchten, machten wir eine Fährte, welche noch nach Tagen zu sehen war, und sorgten außerdem für verschiedene Zeichen, aus denen sie erkennen konnten, daß sie sich auf unserer Spur befanden. Die Zeichen bestanden in Steinen, welche wir in auffälliger Weise unterwegs zusammenlegten und in Aesten, welche wir an Stellen, wo es gesehen werden mußte, abbrachen und an einen andersartigen Baum befestigten. Ein Eichenzweig z. B. an einer Tanne, oder ein Fichtenast an einer Buche ist für den Indianer und wohl auch für jeden nachdenkenden Weißen, wenn er offene Augen hat, ein untrüglicher Beweis, daß sich jemand da befunden und den Ast oder Zweig als einen Fingerzeig zurückgelassen hat.

Satan und Ischariot I (1897)
F 20, S. 428 f.

Was man muss, das kann man auch

Der Häuptling beobachtete mich mit finsterer Miene. Meine absichtlich zur Schau getragene Behaglichkeit empörte ihn, und er nahm sich gewiß vor, mich nachher durch äußerst festes Zusammenschnüren meiner Glieder dafür zu bestrafen.

»Mach’ schneller!« gebot er mir. »Ich habe keine Zeit, auf dich solange zu warten!«

Um die nötige Zeit zum Vornüberbeugen des Oberkörpers und Hervorholen des Messers zu gewinnen, ließ ich, scheinbar erschrocken über diese ebenso plötzliche wie scharfe Anrede, das Fleisch aus den Händen fallen und bückte mich nieder, um es aufzuheben, wozu ich mich der linken Hand bediente. Während ich mit vollster Sicherheit annehmen konnte, daß dabei die Augen aller auf das Fleisch und meine Linke gerichtet waren, fuhr ich mit der Rechten unter die Weste, indem ich antwortete:

»Schneller? Gut, so soll es sofort geschehen. Paß auf!«

Bei diesen beiden letzten Worten hatte ich auch schon die scharfe Messerklinge zwischen den Füßen an den Riemen; ein Schnitt – ich sprang empor, setzte dem Häuptling meinen rechten Fuß auf die Achsel, sprang über ihn hinweg und rannte fort, der Schlucht entgegen. Ich muß sagen, daß ich, als meine Füße nach dem Sprunge über des Häuptlings Kopf hinweg den Boden berührten, beinahe zusammenstauchte; aber ich mußte weiter, und so ging es auch, denn was man muß, das kann man auch.

Satan und Ischariot I (1897)
F 20, S. 228 f.

Wovon ein Laie keine Ahnung hat

Konnten wir den beabsichtigten Umweg nicht auch nach Norden machen? Allerdings; aber dann hätten wir später beim Anschleichen, wobei wir die südliche Richtung einhalten mußten, die Sonne seitlich vor uns gehabt; so wie wir aber jetzt ritten, bekamen wir sie in den Rücken und konnten nicht geblendet werden. Es giebt eben bei solchen Erlebnissen so vieles zu bedenken und zu berücksichtigen, wovon ein Laie keine Ahnung hat.

Satan und Ischariot I (1897)
F 20, S. 496 f.

Wie man sich bewegende Pferde riecht

»Da drüben rechts riecht es nach Pferden, nach Pferden, welche sich bewegen. Das ist nämlich etwas ganz anderes, als Pferde, welche unbeweglich stehen. Ueber stillstehenden Pferden liegt der Geruch dick und unbeweglich; man kann die Nase, sozusagen, hineinstoßen. Sobald aber die Pferde sich bewegen, kommt auch er in Bewegung, wird feiner und flüssiger und leicht davongetragen. So unglaublich es klingen mag, der Westmann merkt aus der Dichtheit oder Dünne dieses Geruches, ob er stehende oder laufende Pferde vor sich hat. Natürlich ruhige Luft vorausgesetzt. […]«

Winnetou II (1893)
F 8, S. 342 f.

Wie man nicht schwindelig wird

So ruhig die Schritte der beiden Männer und der drei Tiere waren, die Brücke geriet doch in eine schaukelnde Bewegung, welche am stärksten wurde, als die Genannten sich gerade auf der Mitte befanden.

»Werden Sie nicht schwindelig, Mijnheer?« fragte der Methusalem um den Dicken besorgt.

»Neen,« antwortete dieser. »Ik weet, hoe men het maken moet – nein. Ich weiß, wie man es machen muß.«

»Nun, wie denn?«

»Ik sluit het eene oog en werp het tweede recht toe voor mij neder. Makt gij het ook zoo – ich mache das eine Auge zu und werfe das zweite gerade vor mich nieder. Machen Sie es auch so!«

Auf diese Weise konnte sein Blick nicht von der Brücke in die Tiefe fallen. Er hatte recht, und der Methusalem folgte seinem Beispiele. Sie kamen trotz des Wankens des schwindelnden Steges glücklich drüben an.

Kong-Kheou, das Ehrenwort (1888/1889)
Reprint der KMG, S. 243

Was sicher stets den Schlaf bringt

Ich hüllte mich fester in den Teppich und schloß die Augen. Ich wollte schlafen, aber es gelang mir nicht. Ich sagte in Gedanken das Einmaleins auf – es half nicht. Da griff ich zu dem Mittel, welches sicher stets den Schlaf bringt. Ich verdrehte die geschlossenen Augen so, daß die Pupillen ganz nach oben zu stehen kamen, und bemühte mich, an gar nichts zu denken. Der Schlummer kam und – – halt, was war das?

Durch Wüste und Harem (1892)
F 1, S. 198

Wie man nicht aufgehoben wird

»Schuft, das sollst du büßen!« rief Bybar, welcher inzwischen herbeigekommen war. Er hatte mich um den Leib gefaßt und wollte mich aufheben. Das hatte noch niemand vermocht. Ich spreizte die Beine aus, zog die Schultern zusammen und holte tief Atem, um mich schwer zu machen. […]

Der hinter mir stehende Skipetar strengte seine ganze Kraft an, mich empor zu bringen. Er keuchte vor Zorn und Anstrengung.

Durch das Land der Skipetaren (1892)
F 5, S. 156

Wie man einen fruchtbaren Hieb austeilt

Und das merke dir, Mohammed Emin: – nicht die Faust allein thut es, sondern wer einen guten, fruchtbaren Hieb austeilen will, bei dem muß zugleich auch der Blick des Auges und der Ton der Stimme ein Schlag sein, der den Gegner niederstreckt.

Durchs wilde Kurdistan (1892)
F 2, S. 542

Wie man den Schlaf fest in der Hand hat

Ich ging in meine Stube und streckte mich auf dem weichen Felllager aus, um zwei kurze Stündchen zu schlafen. Nach dieser Zeit wachte ich wieder auf. Ich habe infolge der Gewöhnung den Schlaf fest in der Hand. Ich wache niemals später auf, als ich mir vorgenommen habe.

Ardistan und Dschinnistan I (1909)
F 31, S. 361

Wie man stundenlang Trab laufen kann

Es war ein Dauerlauf, wie ich noch keinen gemacht hatte, doch hielt ich ihn aus, weil ich von Winnetou belehrt worden war, wie man sich dabei zu verhalten hat, um bei Atem zu bleiben und nicht zu ermüden. Man läßt nämlich das Körpergewicht nur von einem Beine tragen und wechselt dann, wenn dieses ermüdet ist, auf das andere über. Auf diese Weise kann man stundenlang Trab laufen, ohne daß man sich allzu sehr anzustrengen hat; aber eine gute, gesunde Lunge muß man haben.

Winnetou I (1893)
F 7, S. 418

Über die unterschiedliche Größe der Hände

Da die linke Hand gewöhnlich ein wenig kleiner ist als die rechte, schob ich die erstere hinein, nahm mich aber sehr in acht, um dabei nicht mit der Kette zu klirren.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 140 f.

Der schwierigste Schuß, den es giebt

Der Knieschuß ist der schwierigste Schuß, den es giebt. Viele, viele Westmänner, die sonst gute Schützen sind, bringen ihn nicht fertig. Ich hatte nichts davon gewußt, mich aber dann, von Winnetou auf ihn aufmerksam gemacht, in der letzten Zeit darin geübt.

Ich setze den Fall, daß ich mich, allein oder mit anderen, das ist gleich, am Lagerfeuer befinde; mein Gewehr liegt mir, wie es Regel ist, griffbereit zur rechten Hand. Da bemerke ich zwei Augen, welche aus einem Verstecke mich beobachten. Das Gesicht des Spähers kann ich nicht sehen, denn es befindet sich im Dunkeln; aber die Augen sind zu sehen, wenn er nicht so vorsichtig ist, durch die gesenkten Wimpern zu blicken. Sie haben einen matten, phosphorescierenden Glanz, welcher um so bemerkbarer wird, je mehr der Mann das Auge anstrengt. Man glaube aber ja nicht, daß es leicht ist, des Nachts unter Millionen von Blättern im Gebüsch zwei geöffnete Augen zu gewahren. Das lernt man nicht, sondern diese Schärfe, diese Sicherheit des Blickes muß angeboren sein.

Bin ich überzeugt, einen feindlichen Späher vor mir zu haben, so muß ich, um mich zu retten, ihn unschädlich machen, ihn töten, und zwar durch eine Kugel, welche ihn zwischen die Augen trifft, denn auf diese muß ich zielen, weil sie das Einzige sind, was ich von ihm sehe. Wenn ich aber das Gewehr wie gewöhnlich anlege, es also an die Wange nehme, so sieht er, daß ich auf ihn ziele, und verschwindet augenblicklich. Ich muß mein Ziel also in einer Weise nehmen, daß er es nicht bemerkt. Dies geschieht beim Knieschusse.

Ich krümme nämlich das rechte Bein derart, daß sich das Knie erhebt und mein Oberschenkel eine Linie bildet, deren Verlängerung die beiden Augen, welche ich sehe, treffen würde. Dann greife ich, scheinbar gedankenlos, wie spielend, nichts beabsichtigend, zum Gewehre, nehme den Lauf an meinen Oberschenkel, so daß er genau in die Verlängerung desselben zu liegen kommt, und drücke ab. Das ist schwer, sehr schwer, zumal man nur die rechte Hand dazu nehmen darf, da beim Gebrauche beider Hände der Vorgang keineswegs die so notwendige scheinbare Harmlosigkeit besitzen würde. Mit dieser einen Hand das Gewehr richten, es fest an den Schenkel halten und dann abdrücken, das bringen hunderte nicht fertig. Dabei ist noch gar nicht mitgerechnet, wie schwer es ist, in dieser Lage und ohne das Auge an das Visier bringen zu können, ein sicheres Ziel zu nehmen. Und dieses Ziel besteht noch dazu nur aus zwei kaum und ungewiß sichtbaren Punkten mitten in einer vom Flackenfeuer überzitterten, und vielleicht auch vom Winde bewegten Laub- und Blättermasse! Dies meinte Winnetou, als er vom Knieschusse sprach; er war Meister in demselben. Mir war dieser Schuß meist deshalb nicht leicht geworden, weil mein Bärentöter so schwer wog und mit einer Hand in dieser Weise kaum regiert werden konnte. Die fortgesetzte Uebung brachte mich dann aber doch zu dem gewünschten Erfolge.

Winnetou I (1893)
F 7, S. 487 f.

Wie man zwei Lanzen ausweicht und einen Doppelwurf tut

Meine Gegner traten sehr zuversichtlich auf; hatte doch sogar Winnetou behauptet, daß noch niemand eine Lanze in meiner Hand gesehen habe.

»Wünschest du, daß ich ihnen eine Lehre gebe?« fragte ich ihn leise.

»Ja; sie verdienen es. Du kennst meinen Doppelwurf; eine Lanze als Finte und sofort hinterher die nächste als Treffer.«

Ich nahm die fünf Waffen vom Boden auf, wo sie lagen; sie waren leicht und dünn, aber von zähem Holze, nur durch Absicht zerbrechlich. Ich konnte alle fünf zugleich umspannen und nahm sie als Bündel in beide Hände, sie zunächst wie ungefähr eine Balancierstange haltend. Bei dieser Haltung ist das Parieren, das Seitwärtsdirigieren der heransausenden Wurfgeschosse für den Anfänger freilich sehr schwer und sogar gefährlich, für den Geübten dafür aber dreifach leicht.

[…]

Es war nicht klug von mir, sie darauf aufmerksam zu machen, aber ich fürchtete mich nicht, denn ich hatte, ebenso wie Winnetou, auch darin Uebung, zwei Lanzen, die zu gleicher Zeit geworfen werden, zu entgehen. Die eine pariert man, und der andern weicht man durch einen Schritt zur Seite aus. Freilich dürfen sie nicht von Kennern geworfen werden, sonst ist man unbedingt verloren. Zielen beide nach demselben Punkte, dem Kopfe, oder der Brust, und wirft dabei der eine auch nur einen Moment später als der andere, so wird die erste wahrscheinlich pariert, die zweite trifft das Ziel aber gewiß.

Das wußten die beiden Yumas glücklicherweise nicht. Sie handelten zwar nach meiner Anweisung, sagten aber einander nicht, wohin zu zielen sei; ihre Lanzen nahmen nicht denselben Flug – ein Schlag mit den meinigen, ein schneller Seitentritt, ich wurde nicht getroffen.

[…]

Winnetou sah mich an und nickte bedeutungsvoll zur Seite. Damit fragte er, ob der erste Wurf, sowie wir zu thun pflegten, ein Versuch sein solle. Ich nickte wieder. Links hinter den Gegnern stand ein Baum, ich weiß nicht mehr, welcher Art, der hatte unter seinem ersten Aste einen Schwamm; den wollte ich treffen. Ich setzte den linken Fuß vor, wog und wägte den Speer in der Rechten, indem ich dieselbe auf- und niedergehen ließ, hob sie hoch empor, nahm den Schwamm scharf ins Auge, gab dem Speer durch eine Daumenbewegung die nötige Selbstdrehung und schleuderte ihn – er kam mitten in den Schwamm zu stecken.

[…]

Er hatte mir das Ziel gegeben und ich wußte, daß ich es treffen würde – mittels des Doppelwurfes. Der erste Speer muß nämlich die Aufmerksamkeit dessen, den man treffen will, auf sich lenken; der zweite folgt augenblicklich nach und geht, wenn man Uebung hat, niemals fehl.

Satan und Ischariot II (1897)
F 21, S. 176–181

Wie man einen Tomahawk wirft

Als der Häuptling vom »im krummen Bogen werfen« sprach, meinte er den Effektwurf, welcher große Uebung und Geschicklichkeit erfordert. Man giebt dem Tomahawk durch Drehung mit der Hand den betreffenden Effekt, wie man beim Kegelschieben eine Bogenkugel dreht; er bekommt dadurch eine doppelte Bewegung, eine Vorwärts- und eine Seitenbewegung, welche beide genau nach dem Ziele abzupassen sind. Wie man es fertig bringt, daß er sich unterwegs nach Belieben hebt und wieder senkt oder gar nach Bumerangart eine retrograde Richtung nimmt, das kann man nur zeigen, aber leider nicht beschreiben.

»Weihnacht!« (1897)
F 24, S. 495

Wie man einen Gegner zum Fall bringt

Er sprang auf mich ein. Ich empfing ihn mit einem Fußtritte in die Magengegend. Dies ist ein sichres Mittel, den Gegner zum Fall zu bringen, nur muß man dabei sehr fest auf dem andern Beine stehen.

Winnetou I (1893)
F 7, S. 50

Vom gefährlichen Anschleichekrampfe

Das Anschleichen eines Westmannes an seine Feinde ist keineswegs eine leichte Sache. Wenn keine bedeutende Gefahr vorhanden ist, und man nicht Ursache hat, keine Spur zurückzulassen, so kann man ja auf Händen und Knieen vorwärts kriechen. Das gibt freilich eine sehr erkennbare Fährte, besonders im Grase. Ist man aber gezwungen, diese zu vermeiden, so geschieht die Fortbewegung nur mittels der Fingerspitzen und Zehen. Da man dabei die Arme und Beine lang ausstrecken muß, damit der Körper ganz nahe an den Erdboden, den er aber ja nicht berühren darf, gehalten werde, so ruht die ganze Last desselben eben nur auf den Finger- und Zehenspitzen. Dies auch nur für eine kurze Zeit auszuhalten, dazu gehört eine ungewöhnliche Körperkraft, Gewandtheit und langjährige Uebung. Wie die Schwimmer von einem Schwimmkrampfe sprechen, so reden die Westmänner von einem Anschleichekrampfe, welcher gar nicht weniger gefährlich ist als der erstere.

Der Sohn des Bärenjägers (1887)
KMW III.1, S. 117

Wie man eine Fährte liest

Jetzt stieg ich ab. Wer einigermaßen Uebung besitzt, kann unschwer erkennen, von wie viel Pferden eine solche Spur gemacht wurde, falls es nicht gar zu viele gewesen sind. Ich sah, daß fünf Reiter hier geritten seien; also waren es höchst wahrscheinlich die von uns Gesuchten gewesen. Aus der bereits abgestumpften Schärfe der Ränder an den Hufeindrücken entnahm ich, daß diese Leute vor ungefähr sieben Stunden hier vorübergekommen seien.

Bei einer solchen Schätzung hat man sehr vieles zu berücksichtigen: die Witterung, die Art des Bodens, ob er hart oder weich, sandig oder lehmig ist, ob er kahl liegt oder mit Pflanzen bewachsen, vielleicht dünn mit Laub bedeckt ist. Auch auf die Luftbewegung und die Tageswärme hat man Obacht zu geben, da die Sonne oder scharfe Luft die Spuren schnell austrocknet, so daß die Ränder eher bröckeln, als wenn es kalt und windstill ist. Der Ungeübte kann bei einer solchen Beurtheilung sehr leicht ein höchst irriges Resultat erzielen.

Der Schut (1892)
F 6, S. 3 f.

Worauf man achten muss, wenn man in Ketten gelegt wird

Beim Anlegen der Handschellen war ich darauf bedacht, keine sehr engen zu bekommen. Ich drückte die Ellbogen an den Leib und ballte die Finger fest zusammen, wodurch das Handgelenk sich verkürzte und einen größeren Umfang bekam. Die beiden Kerls, welche mir die Schellen anlegten, ließen sich dadurch wirklich täuschen. Sie wollten mir zunächst Schellen anlegen, welche mir paßten und sich eng um meine Handgelenke gelegt hätten; infolge meiner Manipulation aber brachten sie die Schlösser nicht zusammen, und so suchten sie ein paar weitere aus, welche sich zwar schlossen, mir jedoch scheinbar nicht den geringsten Spielraum ließen. Dies gab mir die Hoffnung, mich von den Fesseln befreien zu können.

Im Lande des Mahdi III (1896)
F 18, S. 108 f.

Wie man das Zirpen einer Grille nachahmt

»Könnt Ihr denn das Zirpen der Grille nachahmen?«

»Natürlich! Es ist von sehr großem Vorteile, wenn Jäger die Stimmen gewisser Tiere einstudiert haben. Nur müssen es eben Tiere sein, deren Stimmen gerade zu der Zeit zu hören sind, in welcher man sich der Nachahmung bedienen will. Die Grille zirpt bekanntlich auch des Nachts, also wird es den Schoschonen gar nicht auffallen, wenn sie mein Zirpen hören.«

»Wie aber bringt Ihr dasselbe fertig?«

»Auf sehr einfache Weise, nämlich mit einem Grashalme. Man faltet die Hände in der Weise zusammen, daß die Daumen nebeneinander zu liegen kommen, und klemmt zwischen die letzteren einen Grashalm so ein, daß er straff angespannt ist. Zwischen den beiden unteren Gliedern der Daumen befindet sich eine schmale Lücke, in welcher der Grashalm fibrieren kann. Dadurch wird eine Art Zungeninstrument gebildet. Bläst man nun mit einem kurzen ›Frr–frr–frr‹ auf den Halm, indem man den Mund fest an die Daumen legt, so entsteht ein Zirpen, welches dem der Grille außerordentlich ähnlich ist. Eine längere Uebung gehört freilich dazu.«

Der Sohn des Bärenjägers (1887)
KMW III.1, S. 116 f.

Wie man nicht von der Stelle gebracht wird

Er faßte mich bald rechts, bald links, bald oben, bald unten, bald hüben und drüben oder hinten und vorne zu gleicher Zeit und brachte mich doch nicht um einen Centimeter von der Stelle, denn ich hatte die Beine ausgespreizt und die Knie ein wenig gebogen und schob jedem Drucke von ihm den Schwerpunkt meines Körpers entgegen. Wer diesen Vorteil, oder sagen wir lieber Trick, genau kennt und gut eingeübt hat, den bringt selbst ein ungewöhnlich starker Mann nicht leicht von der Stelle. Die Hauptsache ist dabei, daß man nicht den Bruchteil einer Sekunde zögert, seinen Schwerpunkt sofort dem Drucke des Gegners entgegenzuschieben. Man muß diesen Druck, ich möchte sagen, vorherahnen; man darf nicht warten, bis man ihn erst fühlt; läßt man nur einen Augenblick vergehen, so ist’s zu spät und man hat die Balance verloren. Daß zur Ausführung dieses Tricks nicht nur Gewandtheit und lange Uebung, sondern auch eine gute Körperkraft gehört, das brauche ich eigentlich gar nicht zu sagen.

»Weihnacht!« (1897)
F 24, S. 194 f.
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